Monday 18 February 2013

Europäische Bürgerinitiative zum Bedingungslosen Grundeinkommen





Europäische Bürgerinitiative zum Bedingungslosen Grundeinkommen angenommen
24.01.13

Zur Freude der Initiatoren hat die Europäische Kommission die Europäische Bürgerinitiative (EBI) zum Bedingungslosen Grundeinkommen im zweiten Anlauf am 14.1.2013 nun doch registriert, nachdem sie den ersten Antrag im September 2012 zurückgewiesen hatte (siehe Bericht). Eine Umformulierung in Ziel und Gegenstand der EBI ermöglichte die Registrierung. Ein Bürgerkomitee mit über 50 Personen aus 15 Ländern hat die für die Europäische Bürgerinitiative notwendige Vorarbeit geleistet. Ihm gehören auch Mitglieder des Netzwerkrats des Netzwerks Grundeinkommen an.

Ziel der Bürgerinitiative ist es, das Bedingungslose Grundeinkommen auf europäischer Ebene breit zu diskutieren, um es schließlich einzuführen. Konkret soll erreicht werden, dass die Kommission die ihr gemäß Artikel 156 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzt, um die Kooperation zwischen den EU-Mitgliedsstaaten mit dem Ziel zu befördern, das Grundeinkommen als Mittel zur Verbesserung der nationalen Sozialsysteme zu prüfen. Hintergrund dieser Forderung ist die Tatsache, dass die Zuständigkeit für soziale Fragen bei den Mitgliedsstaaten liegt. Der Wortlaut der Europäischen Bürgerinitiative und des dazugehörigen Anhangs kann auf der Website der EU-Kommission – derzeit allerdings nur in Englisch – nachgelesen werden.

Das europaweite Online-System zur Sammlung der Unterschriften wird voraussichtlich Mitte Februar 2013 zur Verfügung stehen. Derzeit wird der Start der einjährigen Kampagne intensiv vorbereitet, die in Kürze der Öffentlichkeit vorgestellt wird.

Rückfragen sind möglich an den Vertreter des Bürgerausschusses
Klaus Sambor, +43 664 73437308, klaus.sambor(at)aon.at,
bzw. an seinen Stellvertreter Ronald Blaschke, blaschke(at)grundeinkommen.de






European Citizens Initiative for an Unconditional Basic Income ►

On January 14th 2013, the European Commission accepted our European Citizens Initiative hence triggering a one year campaign involving 15 countries. If we collect one million statements of support for basic income from the 500 million inhabitants of the European Union, the European Commission will have to examine carefully our initiative in the EU parliament.


THE EUROPEAN CITIZENS' INITIATIVE

Unconditional Basic Income (UBI) - Exploring a pathway towards emancipatory welfare conditions in the EU. Asking the Commission, to encourage cooperation between the Member States (according to Art 156 TFEU) aiming to explore the Unconditional Basic Income (UBI) as a tool to improve their respective social security systems. In the long run the objective is to offer to each person in the EU the unconditional right as an individual, to having his/her material needs met to ensure a life of dignity as stated by the EU treaties, and to empower participation in society supported by the introduction of the UBI. In the short term, initiatives such as “pilot‐studies“ (Art 156 TFEU) and examination of different models of UBI (EP resolution 2010/2039(INI) §44) should be promoted by the EU.

TEU Art. 2+3; TFEU Art. 5+156, Charter of Fundamental Rights Art. 1+2, 5+6, 15, 21, 34

Organisers / Members of citizens' committee:
• Representative: Klaus SAMBOR - aon.914008712 (at) aon.at
• Substitute: Ronald BLASCHKE - blaschke (at) grundeinkommen.de
• Other members: Stanislas JOURDAN, Sepp KUSSTATSCHER, Olympios RAPTIS, Branko GERLIC, Anne MILLER

Initiative for basic income in Europe on Facebook ►
Unconditional Basic Income as a right for every European citizen! [Not possible to sign yet] Follow us meanwhile: http://twitter.com


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Endergebnis:





Please sign the Avaaz Petition: Our chance to end poverty

It’s infuriating -- the world has never been wealthier but the gap between rich and poor is growing every day. But there is a way out: it’s called Unconditional Basic Income and experts say it can completely eradicate poverty!
Throughout the years, many Nobel Prize-winning economists have proposed this form of social security as the answer to poverty and societal problems such as soaring healthcare costs. Politicians are afraid to speak out because it’s often misunderstood, but EU citizens have decided to challenge this with a call for more research on this promising, unique and bold solution!

When 1 million of us show our support, we will deliver this petition to the European Commission with the demand that it acts on resolutions concerning basic income that were already adopted by the EU Parliament in 2010. Sign here and share it with all your friends and family to make sure that our politicians can no longer ignore this solution to poverty.

PS - Over 285.000 signatures have already been collected in an official EU petition that has now been closed (the ECI-UBI). Let’s continue the effort!

Friday 15 February 2013

Eine Stadt ohne Armut

── EINE STADT OHNE ARMUT ──

Kanadas einziges Experiment eines Grundeinkommens erhält endlich die verdiente Aufmerksamkeit.


Versuchen Sie sich eine Stadt vorzustellen, in der die Regierung jedem Einwohner ein Einkommen bezahlt, unabhängig davon woher jemand kommt oder was er tut.

Für eine Zeit über vier Jahren wurde in den 70'er Jahren den ärmsten Familien in Dauphin (Manitoba) von der Bundes- und Landesregierung ein Mindesteinkommen garantiert. Alles was von diesem Experiment 35 Jahre später übrig geblieben ist, sind 2000 Kisten mit Dokumenten, welche im Archiv-Gebäude von Winnipeg Staub angesammelt haben. Bis heute ist nur sehr wenig bekannt, was in jenen vier Jahren in der abgelegenen, kleinen Stadt abgelaufen war, denn die Regierung hatte die gesammelten Daten weggeschlossen, damit sie nicht analysiert werden konnten.

Nach einem fünfjährigen Kampf der Professorin für Gesundheitswissenschaften der Univerität von Manitoba, "Evelin Forget", gelang es ihr im Jahr 2009 Zugriff auf die Unterlagen zu bekommen. Solange die Daten nicht per Computer ausgewertet werden konnten, blieb eine systematische Überprüfung unmöglich. Frau Forget hatte unbeirrt die Puzzelstücke zusammengefügt, als da waren Erhebungen, die Gesundheitsakten und die Bekundungen der Testpersonen. Diese Arbeit legt einen großen Erfolg des damaligen Projekts offen.

Anfang 1974 hatten die Liberalen von Pierre Trudeau und die von Manitoba erstmalig gewählte demokratische Regierungspartei ausreichende finanzielle Mittel für Einzelpersonen und Familien aus Dauphin, welche unterhalb der Armutsgrenze gefallen sind, bereitgestellt. Unter dem Projektnamen "Mincome" erhielten somit etwa 1000 Familien regelmäßig monatliche Schecks.

Anders als bei der Sozialhilfe, welche nur unter bestimmten Bedingungen erteilt wurde, stand das garantierte Minimum-Einkommen jedem Bürger offen. Es war das erste, und bis heute einzige mal, in dem Kanada mit einem sozialen Projekt dieser art experimentierte.

In Anbetracht des heutigen, politisch konservativem Klimas, mit dauernder Rethorik der Regierung über die "Uneffizienz" und der "Verschwendung" von Gelder für soziale Ausgaben, erscheint das Mincome-Projekt wie ein Märchen.

Vier Jahre lang war Dauphin ein Ort, in dem jeder Mensch unterhalb der Armutsgrenze einen Scheck erhalten konnte - bedingungslos. Alleinerziehende Mütter konnten es sich leisten, ihre Kinder zur Schule zu schicken und Familien mit niedrigem Einkommen mußten nicht mehr kämpfen, um ihre monatliche Miete bezahlen zu können. “Amy Richardson” konnte es sich leisten, Bücher für ihre Kinder zu kaufen. Sie war dem Projekt 1977 beigetreten, kurz nachdem ihr Eheman wegen einer Behinderung seine Arbeit aufgeben mußte. Zu der Zeit hatte sie Schwierigkeiten ihre drei jungen Kinder aufzuziehen, während sie im Wohnzimmer für $1,50 anderen Leute die Haare schnitt.

Die jährlichen $1200,- welche ihr in monatlichen Teilbeträgen ausgezahlt wurden, waren eine willkommene Ergänzung zu einer Zeit, in derdie Armutsgrenze bei $2,100 pro Jahr lag.
“Das Extrageld hat es mir ermöglicht meinen Kindern etwas zu bieten, was wir uns normalerweise nicht hätten leisten können, wie z.Bsp. sie an einer kleinen Veranstaltung teilnehmen zu lassen oder ähnlichen Luxus.” Erzählte Frau Richardson, heute 84 Jahre alt, als sie von der Zeitung “The Dominion” aus Dauphin telefonisch befragt wurde.

Als Bestandteil des Experiments wurde eine Manschaft von Forschern nach Dauphin gesandt, um die Mincome-Familien eingehend zu befragen. Bewohner des benachbarten, abgelegenen Ortes, welche kein Micome erhielten, wurden auch befragt, um beide Statistiken miteinander vergleichen zu können. Als die Regierung 1978 jedoch die Gelder für das Projekt einstellte, wurden die angesammelten Daten archiviert und niemand machte sich die Mühe sie zu analysieren.

“Als die Regierung das Programm vorstellte, gingen sie noch von einem Pilotprojekt aus, welches am Ende des Jahrzehnts bundesweit ausgeweitet werden sollte. Während des Projekts haben Bundes- und Landesregierung insgesamt 17 Mio. Dollar ausgegeben, obwohl ursprünglich nur ein paar Millionen veranschlagt waren. Nach dem Kanada von einer Wirtschaftskriese efasst wurde, mußte das Projekt 1978 vorzeitig abgebrochen werden. Folge der Rezension war eine Preissteigerung der Lebenshaltungskosten um 10% pro Jahr. Die Gelder für das Mincome-Projekt wurden anfangs entsprechend angepasst.

Die Liberalen von Trudeau, welche sich bereits für eine Reform der Arbeitslosenversicherung Kanadas ausgesprochen hatten, beendeten das Projekt und stoppten sämtliche Gelder welche notwendig gewesen wären, um die Daten auszuwerten.

“Es ist sehr bedauerlich und typisch Regierungsarbeit, daß die gewonnenen Daten bisher nicht analysiert wurden,” sagt Ron Hikel, der das Mincome Projekt koordinierte. Hikel arbeitet heute in den USA um die allgemeine Gesundheitsreform voranzutreiben.

“Die Befürworter des Mincome waren um die Blamage besorgt, daß im Falle eines negativen Ergebnisses der Datenauswertung, auch noch Geld für die Analyse verschwendet worden wäre.”

Prof. Forget hat jedoch einige nützliche Arbeitsdaten von Manitoba gesammelt. Ihre Recherche bestätigt zahlreiche, positive Konsequenzen des Programms.

Anfangs wurde das Mincome Projekt als eine art Arbeitsmarktmodell aufgefasst. Die Regierung wollte herausfinden was passiert, wenn jeder in der Stadt Zugang zu einem garantierten Einkommen hätte und im Besonderen wollten sie wissen, ob die Leute immer noch arbeiten würden. Es hatte sich herausgestellt, daß sie es taten.

Zwei Ausnahmen gab es davon, in denen Dauphins Arbeitskraft aufgrund von Mincome geringer wurde. Zum einen waren es kürzlich gewordene Mütter und zum anderen Teenager. Mütter mit neugeborenen hörten auf zu arbeiten, weil sie länger bei ihren Babys bleiben wollten. Und Teenager arbeiteten weniger, weil sie nicht mehr gezwungen waren, ihre Familien zu unterstützen. Als Resultat verbrachten sie mehr Zeit in der Schule und mehr Jugendliche machten ihre Abschlüsse.

“Diejenigen welche weiterarbeiteten hatten die Gelegenheit in Ruhe nach einem Arbeitsplatz zu suchen und mußten nicht die erstbeste Gelegenheit nehmen,” sagte Hikel. “Sie hatten die Zeit auf etwas besseres zu warten. Manche Leute konnten auf diese Weise Arbeit finden um mit dem Geld auszukommen. Als “Doreen” und “Hugh Enderson” 1970 mit ihren zwei jungen Kindern in Dauphine ankamen, waren sie bankrott. “Doreen” dachte, es wäre eine gute Idee von Vancouver zu ihrer Geburtsstadt zu ziehen, damit ihr Mann dort eher eine Arbeit findet. Das stellte sich jedoch als Irrtum heraus.

“Mein Ehemann hatte keinen guten Job und ich konnte für mich garnichts finden,” berichtete sie der Zeitung “The Dominion” am Telefon. Erst 1978, nachdem wir zwei Jahre lang Mincome empfangen hatten, bekam mein Mann endlich eine Arbeitsstelle als Hausmeister. “Ich weiß nicht, wie wir ohne der finanziellen Hilfe überlebt hätten,” sagte Doreen. “Ich weiß auch nicht, ob wir in Dauphin geblieben wären.

Obwohl das Mincome Experiment dazu gedacht war, Informationen über die Arbeitsmarktentwicklung bereitzustellen, entdeckte Prof. Forget daß es einen erhebliche Auswirkung auf das Wohlergehen der Menschen gab. Vor zwei Jahren fing sie an die Gesundheitsprotokolle der Bewohner Dauphins zu studieren, um die Bedeutung des Projekts zu bewerten. Während der Dauer des Projekts waren Krankenhausbesuche um 8,5% gesunken. Weniger Leute hatten wegen arbeitsbedingten Unfällen das Krankenhaus besuchen müssen und es gab weniger Notfallaufnahmen durch Autounfälle oder häusliche Gewalt. Darüber hinaus gab es auch weniger Arztbesuche im Bezug zu psychischen Problemen.

“Wenn man durch ein Krankenhaus geht wird einem schnell klar, daß viele Behandlungen die Auswirkunden von Armut sind,” sagt sie. Geben wir den Leuten finanzielle Unabhängigkeit und die Kontrolle über ihr Leben, werden die Unfälle und Krankheiten sich auflösen, sagt “Forget”. In heutigen Verhältnissen würde eine 8,5% landesweite Verringerung an Krankhausbesuche Kanadas, der Regierung 4 Millionen Dollar pro Jahr ersparen, nach ihrer Berechnung. Vier Millionen Dollar ist auch die Summe, welche die Bundesregierung zur Zeit versucht zu sparen, in dem sie die Etas für Soziales und Kunst verringert.
Nachdem Prof. Forget die Datenaufbereitung analysiert hat, arbeitet sie nun an eine Kosten-Nutzenrechnung um zu sehen, was ein bedingunsloses Grundeinkommen der Bundesregierung an finaziellen Mitteln ersparen könnte. Sie hat bereits mit dem Senats-Ausschuss zusammen gearbeitet um ein BGE für alle Kanadier mit geringem Einkommen zu untersuchen.

Das plötzliche Interesse der kanadische Regierung in ein BGE überrascht “Forget” nicht. Alle 10 bis 15 Jahre soll es erneut Interesse in Feldprojekte zum BGE geben, gemäß Prof. James Mulvale für Sozialarbeit, von Saskatchewan. Er hat intensive Recherchen über Grundeinkommensprojekte betrieben und ausführlich darüber geschrieben. Außerdem ist er am kanadischen Ortsverbands des BIEN (Basic Income Earth Network) beteiligt, eine weltweite Organisation von BGE Beführwortern.

Grundeinkommen-Programme existieren in Länder wie Brasilien, Mexiko, Frankreich und sogar in Alaska. Obwohl die Leute es nicht gleich erkennen mögen, subtile Formen von Grundeinkommen gibt es bereits in Kanada, sagt Mulvale, mit dem Hinweis auf Kindergeld, der Mindestrente und die bescheidenen GST (Goods and Services Tax) / HST (Harmonized Sales Tax) Rückerstattungsprogramme für Geringverdiener. Allerdings könnte ein echtes Grundeinkommen Armut um ein vielfaches dessen lindern.

Mulvale bevorzugt das “demo-grant” Modell, welches jedem in Kanada automatisch Geld überweist. Diese Variante würde gleichzeitig hohe Einkommen am Ende des Jahres besteuern, damit ärmere Leute finanzielle Zuwendungen empfangen können. Ein derartiges Modell hätte eine höhere Chance breite Unterstütztung zu erfahren, weil einfach viele davon Nutzen hätten, nach Aussage von Mulvale. Grundeinkommen könnte auch durch eine negative Einkommenssteuer für die Ärmeren generiert werden, sie würden im Verhältnis zum Jahreseinkommen eine Rückzahlung erhalten. “Grundeinkommen alleine würde Armut nicht beseitigen, aber es könnte sie in diesem Land in einem erheblichen Maße verringern,” sagt Mulvale.

Der konservative Senator “Hugh Segal” war der größte Unterstützer dieser Variante des Grundeinkommens. Der Bezug könnten soziale Begleitprogramme, welche nun von den Ländern verwaltet werden, auflösen. Anstatt separate Verwaltungen für Kindergeld, Sozialhilfe, Arbeitslosenversicherung und Aufstockung für Rentner zu haben, könnten sie alle in ein Grundeinkommen Plan zusammengefasst werden.

Es würde auch bedeuten, daß jeder Bürger Unterstützung beantragen könnte. Viele Leute fallen heute durch das soziale Netz hindurch, sagt “Forget”. Nicht jeder hat Zugriff auf Sozialhilfe und jene welche Zugrif haben, werden dafür bestraft, daß sie zur Schule gehen oder einer Tätigkeit verfolgen, weil ihnen finanzielle Unterstützung wieder abgezogen wird. Wenn ein Grundeinkommen alle betroffenen Menschen erreicht und wesentlich effizienter ist als alndere soziale Begleitprogramme, warum hat Kanada es noch nicht eingeführt? Vermutlich ist die größte Hürde die Macht der negativen Vorurteile gegenüber Menschen in Armut. “Es gibt eine sehr starke Überzeugung davon, daß man Menschen kein Geld ohne Gegenleistung geben sollte,” sagt Mulvale.

Grundeinkommens-Befürworter machen kein Geheimnis daraus, daß es ein BGE in absehbarer Zeit wohl nicht geben wird. Sie sind dennoch sehr hoffnungsvoll, daß Kanada eines Tages die Vorzüge eines BGEs erkennt. “Die Kosten würden nicht annährend so belastend sein, wie die Leute es befürchten,” sagt Forget. “Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre eine höherwertige From von sozialer Förderung. Das einzige Problem ist, daß es politisch schwer umsetzbar ist.”


Vivian Belik ist eine freiberufliche Journalistin, welche sich in den eiskalten Northlands von Whitehorse, Yukon aufhält. Sie wuchs in Manitoba auf, wo sie viele Kleinstadt-Statuen, einschließlich des gigantischen Bibers in Dauphin, gesehen hat.

Quelle


Im Zusammenhang:

Die Stadt, die allen ihren Bewohnern ein Grundeinkommen schenkte
BGE-Portal
Mincome - Wikipedia
Article: Researchers Examine the Town With No Poverty
Evelyn Forget (2008): The town with no poverty: A history of the North American Guaranteed Annual Income
Derek Hum, Wayne Simpson: A Guaranteed Annual Income? From Mincome to the Millennium
Basic Income - Wikipedia 
Article: Dauphin's great experiment
Article: Guaranteed-income idea kept alive by many
Article: It's time to give Mincome another look
Article: An end to the perpetual welfare trap?
Blog: The Manitoba Mincome Study
Blog: Whatever happened to Canada's guaranteed income project?
Blog: THE MANITOBA MINCOME EXPERIMENT
Blog: Mincome: A bold experiment that was too successful for it's own good
Article: The Uniter: The University of Winnipeg Student Weekly 
Health Effects of Guaranteed Annual Income
Article: 1970s' Manitoba poverty experiment called a success


Siehe auch: Dauphin war "die Stadt ohne Armut"

Wednesday 13 February 2013

Über die steigende Obdachlosigkeit



21.12.2012

An Reichtum mangelt es in dieser Gesellschaft wahrlich nicht: die Schaufenster sind voll. Vom Glühwein und Lebkuchen über Maschinen zur Autoproduktion bis zum Baukran und Bagger ist alles da. Gleichzeitig schlafen täglich Leute auf der Straße– und erfrieren dort auch regelmäßig. Wie kann es sein, dass in einer Welt in der es riesigen Reichtum gibt, Leute überhaupt auf der Straße schlafen müssen? Daran, dass es zu wenig Wohnungen gibt, liegt es nicht. Und selbst wenn, gäbe es ausreichend materielle Mittel (Baustoffe, Bagger, Kräne usw.), um neue zu bauen und den Mangel aus der Welt zu schaffen.

Die Vorstellungen darüber, wieso Leute dennoch auf der Straße schlafen müssen, sind unterschiedlich. Jeder kennt Gruselgeschichten über Armutsgestalten, deren Karriere auf der Straße endet: Sie hätten Probleme mit dem Trinken, würden in Beziehungskrisen ihre Familie verlassen, oder hätten sich bei den Bemühungen um Hartz IV einfach nicht genug gekümmert.

All das macht persönliche Entscheidungen der Leute zum Grund für ihre Obdachlosigkeit. Warum selbst harmlose Schicksalsschläge regelmäßig dazu führen, dass Leute auf der Straße landen, beantwortet keine dieser Erklärungen. Ganz im Gegenteil: so wird Obdachlosigkeit auf Faulheit oder Pech zurückgeführt, also zu einer ungewöhnlichen Ausnahme erklärt. Eigentlich, so behauptet das, könnte es in dieser Gesellschaft jeder zu einem Auskommen bringen – wenn er sich denn nur genug anstrengt. Die Wahrheit sieht anders aus:

Obdachlose schlafen auf der Straße, weil sie – durch das vom Staat garantierte Eigentum – ganz grundsätzlich von allem ausgeschlossen sind, was sie so zum Leben brauchen, auch von Wohnungen. Drankommen und diesen Ausschluss überwinden kann nur, wer das Geschäftsinteresse des Eigentümers, d.h. des Vermieters, bedient. Ein Bedürfnis gilt in der sozialen Marktwirtschaft nichts, hat man das nötige Geld dazu nicht in der Tasche. Erst muss die Miete und die Kaution gezahlt und noch nachgewiesen werden, dass man auch in Zukunft die Miete zahlen kann. Und die Bude, in die die Möbel dann kommen, sieht auch entsprechend aus: Renovieren kostet, und gerade für ärmere Mieter lohnt das nicht.

Dass das Interesse des Vermieters gültig ist, dafür sorgt der Staat. Fällt die Zahlung mal aus droht  Zwangsräumung durch die Polizei. Ebenso passt die darauf auf, dass sich niemand Wohnraum verschafft, der nicht vorher dafür bezahlt hat. Auch die Verhinderung von Hausbesetzungen fällt darunter. Dabei ist der Staat sehr grundsätzlich: Wer die Bremer Medien verfolgt, weiß, dass auch die Besetzung einer leerstehenden Spedition ein Grund für den Einsatz eines Sondereinsatzkommandos ist. Spätestens da kann man merken: Eigentum und Wohnen passen nicht so recht zusammen.

Egal ob man wohnen oder essen will, man ist durch die staatliche Gewalt gezwungen an Geld zu kommen, weil alle Dinge Eigentum sind. Das heißt: Jemand hat die ausschließliche und damit alle anderen ausschließende Verfügungsmacht über diese Dinge. Der Wohnungseigentümer kommt an sein Geld, indem er die Wohnung vermietet, in der er selbst nicht wohnt. Andere haben Produktionsmittel, an denen sie andere Dinge produzieren lassen, die sie als Waren gewinnbringend verkaufen, wieder andere haben Geld, das sie anderen zum Gewinnemachen leihen können. Den meisten Menschen stehen solche Mittel nicht zur Verfügung. Sie haben kein nennenswertes Eigentum, das ausreicht, z.B. in Form einer Fabrik selbst zur Geldquelle zu werden. Sie sind nur Eigentümer ihrer selbst und müssen das benutzen, um an ein Einkommen zu kommen. Sie müssen ihre Arbeitskraft verkaufen – sich einen Job suchen. Der Lohn, den sie dafür bekommen ist genau deswegen niedrig: Um an einen Job zu kommen, muss sich ein Unternehmen einen Nutzen davon versprechen sie einzustellen. Dafür muss ihre Arbeit mehr Geld einbringen, als sie kostet, und zwar möglichst viel mehr. Unternehmen wollen möglichst viel und intensive Arbeit für möglichst niedrigen Lohn. Das Interesse der Arbeitgeber steht also im Gegensatz zum Interesse derer, die mit Lohn ihr Leben bestreiten wollen. Die Senkung der Löhne ist für die Unternehmen das Mittel Kosten einzusparen um höhere Gewinne zu machen. Sie lassen sich viel besser drücken, als der Preis von Maschinen oder Grundstücken: Dass der Lohn das einzige Mittel zum Leben ist und alle um die Arbeitsplätze konkurrieren müssen, macht erpressbar.

Dass Lohnabhängige dieses Mittel, das zwar das einzige, aber ein extrem schädliches  und untaugliches Mittel zum Überleben ist, überhaupt benutzen können, ist extrem unsicher. Wenn die Unternehmen Lohnabhängige für nicht brauchbar zum Gewinnemachen befinden, werden sie nicht mehr eingestellt oder entlassen und haben gleich gar kein Einkommen mehr.

Sozialversicherungen wie Hartz IV, die dafür da sind, Leute zu erhalten, die gerade oder dauerhaft für die Profitmacherei nicht brauchbar sind, zeigen eines deutlich: Nämlich, dass Armut und gesundheitliche Ruinierung durch die Arbeit in dieser Gesellschaft alltäglich und selbstverständlich sind. Hier springt der Staat mit seinem Sozialsystem ein, aber gar nicht so, dass die Gründe der ständigen Not aus der Welt geschafft werden. Im Gegenteil: die Verhältnisse, in denen das Elend geschaffen wird werden betreut und am Laufen gehalten.

Das wird deutlich  daran, dass es dieser Art von „Hilfe“ erklärtermaßen nicht darum geht, ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Die Verantwortlichen machen auch gar kein Geheimnis daraus, dass die Arbeitslosenhilfe nicht als Alternative zum Lohn gedacht ist. Sie ist so wenig, dass man als Hartz-IV-Empfänger, möglichst viele „Anreize“ bekommt einfach jeden Job anzunehmen. Mit Absicht soll die Förderung nur ein Leben am Existenzminimum ermöglichen, also zum Leben gar nicht ausreichen. Um in den Genuss dieser paar Euro zu kommen muss man als Empfänger noch eine Reihe von Gängelungen über sich ergehen lassen.

Als Langzeitarbeitsloser bekommt man das Sozialgeld nicht einfach so in die Hand gedrückt. Trotz der Tatsache, dass kein Unternehmen jetzt und in Zukunft vor hat einen wieder einzustellen, muss man ständig zeigen, dass man noch immer einen guten Willen zur Arbeit hat – bei Strafe von Leistungskürzungen. Mit der Erfüllung von Bewerbungsquoten, Besuchen von Fortbildungsmaßnahmen und hirnrissigen Motivationstrainings soll man seinen Willen unter Beweis stellen, ausschließlich Arbeit als ihr Mittel zum Leben benutzen zu wollen. Auch wenn man ständig die Erfahrung macht, dass es damit gar nicht geht.

Wer diese absurde Gängelung nicht mehr aushält, der verliert seinen Anspruch auf diesemerkwürdige „Hilfe“ und ist vollkommen mittellos in einer Gesellschaft, die erst Geld sehen will, bevor man was bekommt. So kommt es, dass Menschen in einer Gesellschaft, in der es genügend Wohnraum für alle gibt, auf der Straße schlafen müssen.

Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, dass sich die eigene ökonomische Situation gar nicht so groß von der eines Obdachlosen unterscheidet – selbst wenn man das „Glück“ hat, einen Unternehmer gefunden zu haben, der einen für seinen Profit benutzt. Die eigene Lage ist also Grund genug sich einmal grundsätzlicher mit den herrschenden Interessen in dieser Gesellschaft zu beschäftigen, denn sie sind es, die diesen Planeten so wenig wohnlich machen. Einige Hinweise und Lektüreempfehlungen dazu geben wir hier in Kürze.

Anmerkungen und Kritik erreichen uns über die Kommentare, per Mail oder auf unserer Facebookseite.

Quelle

Monday 11 February 2013

Jobcenter ging wegen 15 Cent in Berufung

11.02.2013




Das Jobcenter Unstrut-Hainich-Kreis in Mühlhausen wurde in der ersten Instanz vor dem Sozialgericht Nordhausen zu einer Zahlung von 15 Cent an einen Hartz IV Betroffenen verurteilt. Weil das der Behörde offenbar zu viel erschien, ging es in Berufung und scheiterte nun vor dem Landessozialgericht Thüringen.

Selbst Minibeträge sind offenbar Anlass genug für das Jobcenter im Unstrut-Hainich-Kreis in Berufung zu gehen. Im konkreten Fall (Aktenzeichen L 9 AS 430/09) hatten zwei Kläger, die laut dem SGB II eine sogenannte „Bedarfsgemeinschaft“ bilden, geklagt, weil sie aus unterschiedlichen Gründen zu wenig Hartz IV-Leistungen bewilligt bekamen. So wurde unter anderem darüber gestritten, ob die jedem Berechtigten zustehenden Sozialleistungen aufgerundet werden können. Nach der seinerzeit geltenden Rechtslage waren Beträge ab 0,50 Cent aufzurunden. Das Sozialgericht hatte diese Regelung angewandt und das Jobcenter zu höheren Leistungen verurteilt, die Klage jedoch in den übrigen Punkten abgewiesen.

Doch das reichte dem Jobcenter nicht. Wegen dem Minibetrag von 15 Cent wandte sich die Behörde mit Beruf an das Landessozialgericht und berief sich dabei auf ein Urteil des Bundessozialgerichts in Kassel (Aktenzeichen: B 14 AS 35/12 R). Darin urteilten die Richter, dass allein unter Hinweis auf die (behauptete fehlerhafte) Anwendung der Rundungsregelungen erhobene Klage unzulässig ist

Doch das Landessozialgericht ist der Argumentation in der Verhandlung nicht gefolgt und hat die Beruf zurückgewiesen. Die Klage vor dem Sozialgericht war - anders als in dem vom BSG entschiedenen Fall - nicht allein wegen der Rundungsregelung, sondern auch wegen anderer Punkte erhoben worden. Dass die Leistungen nach der seinerzeit geltenden Rechtslage aufzurunden waren, ergibt sich aus dem Gesetz und zahlreichen Entscheidungen des BSG.

Wegen der eindeutigen Rechtslage wurde seitens des Landessozialgericht dem Jobcenter eine Missbräuchlichkeitsstrafe von 600 Euro auferlegt. Zwar ist im Grundsatz ein Verfahren vor dem Sozialgericht kostenfrei. In einigen Fällen kann aber für den Verfahrensbeteiligten eine Gebühr auferlegt werden. Schließlich kostet ein Verfahren vor dem Landessozialgericht rund 2000 Euro. So erklärte ein Sprecher des Gerichts: „Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Berufungsverfahrens für das Jobcenter (15 Cent) hielt das LSG eine Kostenbeteiligung von 600,- EUR für angemessen.“ (sb) 


Quelle

Sunday 10 February 2013

Sozial ist, was Arbeit schafft

Sozial ist, was Arbeit schafft?

Nein. Sozial ist ein fürsorgliches, altruistisches Handeln aus Nächstenliebe. Sozial wäre es folglich Arbeitsplätze zu schaffen, ohne wirtschaftliche Absichten damit zu verfolgen. Und das ist natürlich reiner Humbug und wird auch von niemandem vertreten, der den unsäglichen Satz verwendet. Vielmehr ist es das Ziel dieser Leute den Begriff "Sozial" zu verändern. Es geht um die Deutungshoheit über einen zentralen Begriff der linken Parteien. Denn CSU, CDU und FDP (und natürlich die Wirtschaft) sind nun einmal nach alter Definition nicht besonders sozial. Mit Hilfe dieser Umdeutung von Begriffen wollen sie gegenüber den Wählern vermitteln, dass sie "sozial" sind, weil sie Arbeitsplätze schaffen. Das ist aber bei weitem nicht das gleiche.

Sozial wäre es, den Sozial benachteiligten, Armen und Schwachen der Gesellschaft zu helfen. Natürlich hilft man einem Teil dieser Menschen auch, indem man Ihnen einen anständig entlohnten Arbeitsplatz beschafft. Aber viele Menschen benötigen andere Hilfe und können nicht Arbeiten, da sie zu jung, zu krank oder zu alt sind, eine unmündige Person betreuen müssen oder eine besser Bildung benötigen. All diese Menschen werden nach der Ideologie "Sozial ist, was Arbeit schafft" vergessen. Und die Vertreter des Satzes wollen auch keine "anständig entlohnten" Arbeitsplätze. Ihre Politik zielt darauf ab, die Lohnkosten zu senken und Arbeitnehmerrechte zu schwächen. Sie wollen die Menschen in Notsituationen zwingen, jede Arbeit annehmen zu müssen, damit die Wirtschaft ihre Gewinne maximieren kann.

Quelle


Friday 8 February 2013

Katja Kipping bei Markus Lanz

Aus der Sendung vom 07.02.2013






── OFFENER BRIEF ──
vom 08. Februar 2013

Sehr geehrter Herr Lanz,

ich möchte mich zu Ihrer Sendung vom 07. Februar 2013 äußern.

Das Thema war u.A. das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Ein Thema, dass es wert ist, öffentlich diskutiert zu werden, das Pro und Kontra abzuwägen. Und genau das hatte ich erwartet, aber wahrscheinlich sind meine Ansprüche zu hoch.

Die unausgewogene Gästeauswahl lässt vermuten, dass Sie das BGE wieder in die linke Ecke drücken möchten. Aber da gehört es nicht hin, denn es gehört genau in die Mitte!

Ich bin in einer Zeit groß geworden, in der es noch einen gesunden Arbeitsmarkt gab. Diese Zeiten sind vorbei und kommen auch nicht wieder. Die Automatisierung/Industrialisierung schreitet voran und macht weiter bestimmte Arbeitsplätze überflüssig. Inzwischen hat sich unsere Gesellschaft zunehmend in eine Dienstleistungsgesellschaft gewandelt. Ich bin empört darüber, wie Sie mit Ihrer Selbstherrlichkeit Menschen diffamieren, die den Beruf der Pflegekraft bzw. des Busfahrers gewählt haben. Ich jedenfalls zolle diesen Menschen meinen Respekt. Wo fängt bei Ihnen denn eigentlich „Mensch“ an? … beim Moderator? Sie müssen nicht verstehen, warum ein Mensch Busfahrer wird oder in der Pflege arbeitet. Ich verstehe schließlich auch nicht, warum Sie Moderator geworden sind. Sie sollten nur verstehen, dass wir in einer Gesellschaft leben und dass eine Gesellschaft durch Vielfältigkeit getragen wird.

Ihr Beitrag „vom Tellerwäscher zum Moderator“ zeigt mir, das sie dem Thema BGE keine Ernsthaftigkeit zusprechen. Nach Ihren Ausführungen zum Thema „Geschirrspüler“, frage ich mich ernsthaft, wie Sie es überhaupt zum Tellerwäscher geschafft haben. Und lassen Sie mich noch eines bemerken, vielleicht hätte die Pfanne ja treffen müssen, damit Sie Ihre Bodenhaftung nicht verlieren.

Entschuldigen Sie bitte, aber mir ist der Respekt Ihnen gegenüber etwas abhanden gekommen. Mit Ihren Äußerungen, dass die meisten Menschen mit einem BGE der Faulheit zum Opfer fallen würden, beleidigen Sie nicht nur mich, sondern auch Millionen andere Menschen.

Die Menschen wollen sich in die Gesellschaft einbringen. Sie suchen nach einer Aufgabe, nach Herausforderungen und natürlich auch nach Anerkennung.

Es steht Ihnen natürlich frei, sich für oder gegen das BGE auszusprechen, aber nicht auf diese anmaßende und respektlose Art und Weise.

Mit nachdenklichen Grüßen
Kornelia Gaber


In diesem Zusammenhang ein interessanter Artikel

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Laut Umfragen würden über 80 % der Erwerbstätigen auch dann weiter arbeiten, wenn sie ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) erhielten. Der erste Haupteinwand gegen das BGE, es würde mit dessen Einführung alles schlagartig aufhören, einer bezahlten Beschäftigung nachzugehen, ist somit bereits hinfällig. Der Zweite, das BGE sei nicht finanzierbar, wirkt auch nicht mehr erschlagend, sobald klar gemacht wird: Das BGE ersetzt die meisten Transferleistungen wie Rente, Arbeitslosengeld I + II, Kindergeld und Grundsicherung. Es kommt nicht »oben drauf«, sondern ist gegenzurechnen. Bedeutet: Zu mindestens 60 % ist es bereits finanziert.

In der öffentlichen Diskussion taucht das Grundeinkommen momentan eher am Rande auf. Die Piratenpartei hat es durch die Aufnahme in ihr Parteiprogramm wieder etwas stärker in den Fokus gerückt. Kommt es zur Sprache, wird es allerdings zumeist alles andere als sachlich angegangen. Die Polemik reißt nicht ab. Immer wieder wird das Klischee von der sozialen Hängematte aufgewärmt. SPD-Chef Sigmar Gabriel findet das BGE »elitär«. Er betonte gegenüber dem SPIEGEL nicht zu wissen, wie er der Krankenschwester erklären soll, dass sie für den müßigen Lebensstil von Grundeinkommensbeziehern mitverdienen müsse. Der SPD-Chef offenbarte hier nur eines: großen Bedarf an Nachhilfe.

Ähnlich derb fielen die Reaktionen einiger Leser auf einen SPIEGEL-Beitrag über den Piratenpolitiker Johannes Ponader, ebenfalls Grundeinkommensbefürworter, aus. Da wurde sich aufgeregt, dass Ponader »den Leistungsgedanken ablehne«, während »andere, Pflegepersonal, Autobauer und Müllwerker sich den Zwängen der Erwerbstätigkeit unterziehen und brav Steuern entrichten. Ponader aber kann sich selbst verwirklichen, ohne Gedanken an Solidarität zu verschwenden. Nach sozialer Intelligenz sieht das nicht aus.« Ein weiterer Leserbriefschreiber (mit Doktortitel) moniert, Ponaders Lebensweise werde »erst durch Regale einräumende und steuerzahlende Arbeitnehmer ermöglicht – Arbeitssituationen, die er nicht ertragen möchte«. Ein Dritter befürchtet gar, Landwirte würden ihre Trecker stehen lassen und vom Grundeinkommen leben. Wie käme Ponader dann an sein »bedingungsloses Müsli?« (Zitiert aus: SPIEGEL Nr. 28/ 9.7.12). So weit unsere SPIEGEL-Leser, die laut Werbung »mehr wissen«, hier jedoch anscheinend nicht einmal verstanden haben, dass es nur um die Sicherung des Existenzminimums geht. Der Anreiz, darüber hinaus zu verdienen, bleibt erhalten.

Interessant: Den in den Leserbriefen genannten Berufsgruppen wird per se unterstellt, ihre Arbeit nur gezwungenermaßen ohne Freude zu verrichten. Offensichtlich gehören die Briefschreiber anderen Berufsrichtungen an und können sich nicht vorstellen, selbst solche Beschäftigungen zu entsprechenden Entlohnungen auszuüben. Gleichwohl tun sie, als würden sie in deren Interesse sprechen. So etwas nennt man »Anbiedern«. Klar: Die angeführten Tätigkeiten sind notwendig, die Gesellschaft und man selbst ist darauf angewiesen. Deshalb gibt man sich »solidarisch« und hält sich für »sozial intelligent«, wenn man die »Hängematte« für alle entrüstet zurückweist. Doch wie intelligent ist es, eine Idee abzulehnen, deren Umsetzung Beschäftigte einschließlich der genannten Gruppen in eine finanziell wie psychisch bessere Position bringen würde?

Hinter dieser Art von Intelligenz steckt ein Faktor, den die Grundeinkommensbewegung nicht unterschätzen sollte: Die Angst Bessergestellter, sie könnten ihre Dienstboten verlieren: Handwerker, Klempner, Maurer, Putzhilfen und alle anderen, die Tätigkeiten verrichten, die eher nicht so »qualifiziert« sind. Diese Gutsherrenmentalität der besitzbürgerlichen Schichten sitzt immer noch tief. Ihr ist mit Aufklärung, gleich wie fundiert und einleuchtend, schlecht beizukommen. Ihre Träger sind gerade in Zeiten zunehmender sozialer Spaltung auf die Wahrung ihres Besitzstandes und sozialen Status bedacht. Wenn nötig, auch auf Kosten Anderer.

Natürlich geben sie das nicht offen zu. Sie verstecken es hinter einer Leistungsideologie, der zufolge sie selbst zu den schwer schuftenden Leistungsträgern dieser Gesellschaft gehören. Sie meinen zu wissen, was harte Arbeit bedeutet und in welcher Arbeitssituation sich jene befinden, deren Dienste sie in Anspruch nehmen. Niemals würden sie deren Entlohnung für sich selbst akzeptieren. Eben so wenig würden sie jemals mit dem existenzminimalen Betrag eines Grundeinkommens auskommen. Der bürgerliche Lebensstil hat schließlich seinen Preis. Im Gegenzug wollen sie dem Rest der Bevölkerung nicht einmal das Existenzminimum, also die Butter auf dem Brot, ohne Zwang zum Verkauf der Arbeitskraft gönnen.

Die Verlogenheit und Widersinnigkeit der bürgerlichen Arbeitsmoral, die so gern das »leistungslose Einkommen« von Alg-II-Empfängern anprangert, wird spätestens deutlich, wenn es etwas zu erben gibt. Wer von den Leistungsaposteln würde dieses ausschlagen, nur weil es ihm »leistungslos« zufiele? Vor diesem Hintergrund wirkt es nur albern, das BGE als Hängematte oder »Jahrmarkt im Himmel« zu diffamieren. Wer Derartiges von sich gibt, darf sich fragen lassen, wie er/sie es mit demokratischen Grundrechten hält. Wie steht es mit garantierter Freiheit und Gleichheit? Einen Erfolg kann die Grundeinkommensidee hier bereits für sich verbuchen: Sie hat die herrschende Arbeitsmoral an diesen Grundansprüchen gemessen und für zu kurz befunden.

Nochmals sei klargestellt: Es gibt kein »Zurück in die Vergangenheit« der Vollbeschäftigung. Jeden Tag straft der technische Fortschritt dieses Wunschbild Lügen. Und die Rationalisierungspotenziale sind noch lange nicht ausgeschöpft, wie man an der letzten Ankündigungswelle von Stellenstreichungen erkennen konnte. Wenigstens in der Piratenpartei wurde das mehrheitlich verstanden. Die immer noch reflexartige Ablehnung der Grundeinkommensidee beweist nur, wie weit das Denken der Entwicklung hinterher hinkt. Und wie ungern von Besitzständen – auch geistigen – abgerückt wird. Dass das BGE nicht nur theoretisch, sondern praktisch funktioniert, zeigen die Pilotprojekte in Namibia und Brasilien. Dort brach allen Unkenrufen zum Trotz nicht die große Faulheit aus, sondern die Menschen entwickelten eine kaum für möglich gehaltene Eigeninitiative.
Harald Schauff ist verantwortlicher Redakteur der Kölner Arbeits-Obdachlosen Selbsthilfe-Mitmachzeitung »Querkopf«, die für 1,50 Euro auf der Straße verkauft wird. Diesen Artikel hat er in der aktuellen Ausgabe des »Querkopf« veröffentlicht.