Thursday 17 November 2011

Das Bundesverfassungsgericht braucht (mehr) Kompetenz


Das Bundesverfassungsgericht urteilte am 9.2.2010:

L e i t s ä t z e  zum Urteil des Ersten Senats vom 9. Februar 2010

  1. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.
  2. Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu.
  3. Zur Ermittlung des Anspruchumfangs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen.
  4. Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen. 


Am 3.7.2008 urteilte das BVerfG:

L e i t s a t z  zum Urteil des Zweiten Senats vom 3. Juli 2008

- 2 BvC 1/07, 2 BvC 7/07 -

§ 7 Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit § 6 Absätze 4 und 5 des Bundeswahlgesetzes verletzt die Grundsätze der Gleichheit und der Unmittelbarkeit der Wahl, soweit hierdurch ermöglicht wird, dass ein Zuwachs an Zweitstimmen zu einem Verlust an Sitzen der Landeslisten oder ein Verlust an Zweitstimmen zu einem Zuwachs an Sitzen der Landeslisten führen kann.
 
Das BVerfG setzte im Hartz-IV-Urteil eine Frist bis zum 31. Dezember 2010 und im Wahlrechtsurteil bis zum 30. Juni 2011. Am 24. März 2011 wurde vom Bundestag das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch beschlossen. Am 29.09.2011 wurde das Bundeswahlgesetz vom Bundestag geändert.

Die Frist beim Hartz-IV-Urteil wurde um 83 Tage überschritten, die Frist beim Wahlrechtsurteil um 91 Tage. Zählt man die Zeit vom Urteil bis zum Gesetzesbeschluss, dann kommt man beim Hartz-IV-Urteil auf 408 Tage und beim Wahlrechtsurteil auf 1183 Tage.


Was heißt das?

Das BVerfG setzt angemessene Fristen innerhalb derer Ausschüsse und Plenum ausreichend Zeit bekommen eine Neuregelung zu treffen. Denn bei Hartz IV hatte der Gesetzgeber 325 Tage und beim Wahlrecht sogar 1092 Tage Zeit.


Was ist das Fazit?

Das Fazit lautet: Das Bundesverfassungsgericht ist dem Gesetzgeber einfach egal. Denn das BVerfG hat keine Möglichkeit zu rügen, zu sanktionieren oder eigeninitiativ zu handeln. "Wo kein Kläger, da kein Richter". Dies wiederum hat zur Folge, dass die Schutz- und Kontrollfunktion über unsere Verfassung, die dem BVerfG aufgetragen, vollends ins Leere läuft.


Was sind die Möglichkeiten?

1. Das Gericht bekommt die Möglichkeit öffentlich den Gesetzgeber zu rügen oder anzumahnen.
2. Das Gericht schafft nach Ablauf von Fristen, ggf. sogar nach erneuter Fristsetzung eine Übergangsregelung.
3. Wenn in einem BVerfG-Urteil ein Frist gesetzt wird, dann wird das Verfahren vor dem BVerfG in einen Schwebezustand versetzt, bis der Gesetzgeber eine Neuregelung geschaffen hat, die vom BVerfG automatisch erneut überprüft wird.


Persönliches Fazit:

Recht und Gesetz sind an Verfassung und die Menschenwürde gebunden. Verfassungswidrigkeiten können vorkommen, aber sie müssen beseitigt werden. Werden sie das nicht, dann hat das Bundesverfassungsgericht keine Funktion mehr und das Grundgesetz wäre ohne Wert.


Quelle

1 comment :

  1. http://wiki.piratenpartei.de/LiquidFeedback/Themendiskussion/1214

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