Tuesday, 2 December 2014

Veranlagung und Vererbung



Bestimmt das Denken unser Fühlen oder ist es umgekehrt?
Die Hirnforscher Gerhardt Roth und Nicole Strüber über das Ich-Gefühl und die Autonomie des Geistes.



Frau Strüber, wenn die Hirnchemie unsere Seele bedingt, was bedingt dann unsere Hirnchemie?

Nicole Strüber: Wir werden durch Gene und Umwelteinflüsse geprägt. In den 70er Jahren hielt man die Umwelt für den entscheidenden Faktor, später hieß es, alles liegt in den Genen. Jetzt wissen wir, dass Umwelteinflüsse sich auf Gene auswirken. Bei diesen epigenetischen Veränderungen werden nicht die Gene selbst modifiziert, sondern nur der sogenannte Expressions-Apparat. Dadurch können DNA-Sequenzen stillgelegt werden.

Wie können sich diese epigenetischen Veränderungen konkret auswirken?

Strüber: Ein Mensch, der eigentlich beste Erbvoraussetzungen für eine ausgeglichene Persönlichkeit mitbringt, wird durch Gewaltverbrechen oder Naturkatastrophen schwer traumatisiert. Der Schaden am Expressionsapparat der Gene kann an die nächste Generation vererbt werden. Eine Frau, die 9/11 miterlebt, wird unter Umständen ein Kind mit einer angeborenen Neigung zu psychischen Problemen zur Welt bringen.

Heißt das, dass sich bereits vor der Geburt entscheidet, ob und wie sehr ein Mensch zu psychischen Erkrankungen neigt?

Roth: Keinesfalls. Ungünstige Erbanlagen können durch Fürsorge und Zuwendung in den ersten Lebensjahren wieder wettgemacht werden. Ob genetische Vorbelastung zum Problem wird, hängt von der frühkindlichen Bindungserfahrung ab.

Was können wir später noch ausrichten, wenn diese Gen-Umwelt-Prägung besonders unglücklich ausgefallen ist?

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Klingt nach einer klassisch reduktionistischen Position.

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Wie äußert sich diese Teilautonomie?

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Angenommen, man könnte nach meinem Tod das Gehirn in allen Details rekonstruieren – würde mein "Ich" wieder auftauchen?

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Das Thema Wiederauferstehung bleibt vorerst offenbar Glaubenssache. Wo lassen sich neurowissenschaftliche Erkenntnisse mit greifbarerem Nutzen anwenden?

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Ist es dann nicht erstaunlich, dass so viele Menschen überzeugt sind, dass die Kognitive Verhaltenstherapie bei ihnen zur Besserung geführt hat?

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Quelle

Siehe auch: Dem Verbrecher-Gen auf der Spur

Können die Gene beeinflussen, wer einmal ein Verbrechen begehen wird? Der Kriminologe Adrian Raine schildert Biografien von Serienkillern und anderen Straftätern und bringt sie in Verbindung mit ihrem Erbgut. Eindrucksvoll präsentiert der Autor die biologischen Aspekte von Gewalt.

Manche Menschen neigen eher zur Gewalt, andere weniger. Die Genetik kontrolliert uns nicht, aber die Gene bestimmen mit, wer sich zum Verbrecher entwickeln wird und wer zeitlebens friedlich und gesetzestreu bleibt.

Anschaulich illustriert der Kriminologe Adrian Raine sein Sachbuch mit Geschichten aus dem Leben von Verbrechern und Serienkillern wie Jeffrey Landrigan. Als Baby im Alter von acht Monaten wurde er von einer "Bilderbuchfamilie" adoptiert und erhielt alle Segnungen des gehobenen amerikanischen Bürgertums. Dennoch nahm er Drogen, beging Überfälle und erstach im Alter von 20 Jahren einen Mann. Im Gefängnis erfuhr er, dass bereits sein biologischer Vater und auch sein Großvater Kriminelle waren und Morde verübt hatten. Ist sein Schicksal also genetisch vorprogrammiert?

Tatsächlich konnten Genetiker in den letzten Jahren Erbanlagen aufspüren, die mit erhöhter Aggressivität verknüpft sind. Träger dieser Erbanlagen sind weniger als andere in der Lage, spontane Impulse wie Wutanfälle zu kontrollieren. Noch besser lässt sich das bei der Untersuchung von Gehirnaktivitäten erkennen. Wenn eine bestimmte Region direkt hinter der Stirn weniger aktiv ist, führt das verstärkt zu aggressiven Reaktionen. Dennoch ist niemand zum Mörder geboren, stellt Adrian Raine klar. Der Titel des Buches ist deshalb mehr als irreführend.

Eindrucksvoll präsentiert der Kriminologe die biologischen Aspekte von Gewalt. Er lässt keinen Zweifel daran, dass die Biologie zum besseren Verständnis von kriminellem Verhalten beitragen kann. Aber anders als viele Vorgänger seiner Forschungsrichtung macht er nicht den Fehler, gesellschaftliche Ursachen und Hintergründe von Kriminalität kleinzureden. Er bringt beide Aspekte zusammen und zeichnet ein sehr komplexes Bild der Entstehung von Gewalt. Darin sind biologische und soziale Prozesse unauflöslich miteinander verflochten.


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