Sunday, 24 November 2013

Ich habe letzte Nacht von einem Schiff geträumt


Während des Schlafens träumt jeder mal, aber sich an den Traum zu erinnern scheint eher selten zu sein. Als ich heute morgen aufgewacht bin, hatte ich meinen Traum noch frisch vor Augen. Ich träumte von einem riesigen Schiff, gestrandet in einer sonnigen Eislandschaft. Das Schiff lag leicht schräg, weil der Rumpf größtenteils aus dem Eis herausragte. Ein paar andere Leute und ich standen neben dem Schiff, in der eisigen Gegend herum, eingepackt in Thermohosen, Stiefeln und winterfesten Mänteln. Ich befand mich nahe den gigantischen Schiffsschrauben. An der Seite verlief eine schmale Metall-Leiter vom Grund bis hinauf zur Oberkante der Scheuerleiste. Wir warteten darauf, daß das betonfeste Eis bald schmilzt und den Weg frei gibt.



Ich stand voller Bewunderung am Heck des Schiffes und wußte, es wird uns bald aufnehmen können und in Sicherheit bringen. Die Landschaft, so schön sie erscheint, wäre auf Dauer lebensfeindlich. Ohne das Schiff wären wir zum Tode verurteilt.

Hier ist eine kurze Analyse von Träumen, mit einem Schiff als Symbol:


Allgemein

Träume von Schiffe und Booten zeigen, wie der Träumende seine eigenen und die Gefühle anderer Menschen bewältigt. Sie können auch darstellen, wie der Träumende durch sein Leben navigiert und ob er es unter Kontrolle hat. Schiff steht für die Persönlichkeit und ihre Art, sich im Leben zu behaupten. Häufig ist damit der Wunsch nach Veränderung verbunden, den man aber sorgfältig überlegen muß,- vor allem das Schiff im Sturm oder Nebel kann vor den Gefahren voreiliger Veränderungen warnen. Geht das Schiff unter oder liegt es auf dem Trockenen, kündigt das ein Scheitern von Plänen an, weil man sie wahrscheinlich nicht gründlich genug vorbereitet hat.

Psychologisch

In früheren Zeiten glaubte man, daß alle Dinge eine Seele hätten. Man sah deshalb im Schiff ein weibliches Wesen, das oft in der Form einer weiblichen Galionsfigur dargestellt wurde. Das Schiff galt in der ägyptischen Mythologie als das Seelenschiff und deshalb auch als Totenschiff. In anderen Mythen stand es dagegen als Lebensschiff. Diese Bedeutung hat es auch im Traum. Die Reise im Schiff ist die symbolisierte Lebensreise des Träumenden, die jedoch eher einem unbewußten Prozeß gleichkommt. Das Schiff im Traum übersetzt meist unser Lebensschiff, die auf schaukelnden Wellen getragene Persönlichkeit, die sich immer wieder zu neuen Ufern aufmacht, wobei sie nie auslernt. Schon das chinesische Weisheitsbuch 'I Ging' hebt den psychischen Wert einer Schiffsreise (im Traum) hervor,- es sei 'gut, das Wasser zu überqueren'. Aus dem Traum heraus kann jeder selbst leicht deuten, ob die Lebensreise einen guten oder einen schlechten Aspekt enthält, wenn er weitere Symbole zur Erklärung heranzieht. Oftmals ist schon der Rauch (siehe dort) eines Dampfschiffes symbolträchtig, ebenso ob die Maschine (siehe dort) volle Fahrt voraus macht oder ob sie das Schiff nicht vorwärtsbringt. Befindet sich der Träumende in seinem Traum allein in einem kleinen Boot, dann ist es an der Zeit, daß er sich darüber Klarheit verschafft, wie er mit Isolation und Einsamkeit umgeht. Handelt der Traum vom Aufenthalt auf einem großen Schiff, dann wird damit die Aufmerksamkeit des Träumenden auf seine Handhabung von Gruppenbeziehungen gelenkt. Hat er im Traum sein Schiff versäumt, so sollte er von seinem perfektionistischen Anspruch Abstand nehmen, alle Chancen und Gelegenheiten wahrzunehmen.
Quelle Traumdeutung



Sunday, 17 November 2013

Muster: Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt (VA)

Sehr geehrte(r) Herr / Frau _____________

Die Eingliederungsvereinbarung stellt der Form nach einen Vertrag gemäß des
Vertragsrechts des BGB dar. Im Abschnitt 3 des BGB sind die Grundlagen der
Rechtsgeschäfte geregelt, im Titel 2 des BGB die Willenserklärung dort selbst in den
§§ 116 ff BGB.

Danach sind Verträge nur rechtswirksam und gültig, wenn sie im Zuge der Freiwilligkeit
geschlossen werden, andernfalls sind sie anfechtbar und nichtig. Damit ist das Prinzip der
Vertragsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland gesetzlich garantiert. In diesem Rahmen
ist es nicht notwendig, näher auf Zwangsvereinbarungen einzugehen.

Abgesehen von der Tatsache, dass die Nichtunterzeichnung einer Vereinbarung jeglicher Art,
als Dekret durch die Hintertür dann doch den Schein der Rechtsgültigkeit der Bestimmungen
der abgelehnten Vereinbarung erfährt, beweist spätestens hier:

- den eindeutigen Rechtsmangel des Vertrages in Sachen Vertragsfreiheit

- die eindeutig nachweisbare nahezu totale Entrechtung eines unschuldig bedürftigen
Bürgers unseres Landes

- den Willkürcharakter und den Zwangscharakter nahezu aller Arbeiten des 1. und
wohl auch des 2. und x-ten Arbeitsmarktes, mit anderen Worten des Tatbestandes
der Zwangsarbeit, deren Verbot de jure und deren Ächtung als zivilisatorische
Errungenschaft längst unbestritten sind. In diesem Zusammenhang sei hier auf
Artikel 12 GG verwiesen.

- Vertiefende juristische Betrachtungen inkludieren höchstwahrscheinlich die
berechtigte Vermutung einer möglichen strafbaren Handlung in der Erzwingung von
Zwangsarbeit.


Wesentlich schwerwiegender und von grundsätzlicher Bedeutung sind die mehrfachen,
direkten, unmittelbaren, offenen und unverhohlenen Gesetzesbrüche des Grundgesetzes der
Bundesrepublik Deutschland.

Im Zusammenhang meines Widerspruches reicht der Hinweis auf die folgenden
Gesetzesverstöße, die eine Substituierung der Eingliederungsvereinbarung per Dekret
bedeuten:

• Art. 1 GG Die Würde des Menschen ist unantastbar

• Art. 2 GG Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit

• Art.11 GG Freizügigkeit im gesamten Bundesgebiet

• Art.12 GG Freie Berufswahl, Verbot von Zwangsarbeit

-Art.20 GG Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

Besonders sei hier noch auf Artikel 19 GG verwiesen, wonach Abweichungen vom
Grundgesetz benannt und begründet werden müssen, wobei kein Grundrecht wesentlich
außer Kraft gesetzt werden darf. Die Nichtbeachtung dieses Zitiergebots verschleiert, dass
weite Teile des SGB II, vor allem die in den §§ 31ff SGB II geregelten Sanktionsmaßnahmen
grundsätzlich rechtsungültig sind. In diesem Zusammenhang seien dann auch die Leitsätze
zum Urteil vom 09. Februar 2010 des Bundesverfassungsgerichts genannt:

Bundesverfassungsgericht Leitsätze vom 09. Februar 2010 (Auszüge)

Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums … sichert jedem
Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein
Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.

Dieses Grundrecht … hat als Gewährleistungsrecht … eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach
unverfügbar und muss eingelöst werden…

Dieses Grundrecht stellt also laut Verfassungsgericht auch ein Gewährleistungsrecht dar.
Daraus ergibt sich dann aber vermutlich auch eine Gewährleistungspflicht des Staates,
dieses menschenwürdige Existenzminimum auch zu gewähren und zu gewährleisten.
Dieses Grundrecht auf Gewährleistung darf auch nicht durch vorgeschaltete
Fremdforderungen eingeschränkt werden (Wohlverhalten des Leistungsberechtigten,
Annahme jedes Arbeitsangebots, Folgeleistung sogenannter Einladungen, Teilnahme an
Maßnahmen, …).
Meinen obigen Ausführungen folgend beantrage ich:
• die Inkraftsetzung eines Dekretes mit den vollständigen oder teilweisen
Bestimmungen der nicht-rechtskräftigen Eingliederungsvereinbarung aufzuheben,
• bis zu einer Klärung durch das Verfassungsgericht von Sanktionen abzusehen,
• mir ausschließlich nur solche Angebote zu unterbreiten, die frei von Annahmezwängen und
frei von Sanktionen bei Ablehnung sind,
• mir einen entsprechenden Bescheid zuzustellen,
dessen Ausbleiben ich als Zustimmung im Sinne der Bedeutungsübertragung des § 362
Abs.1 des HGB werten werde,

mit freundlichen Grüßen

Ps.:Nach Buchstaben und Gesetz ist Ihre Institution weder Amt noch Behörde, sondern per Legaldefinition nur eine Agentur mit Umsatzsteuernummer (Nummer eingetragen laut Impressum auf www.arbeitsagentur.de) Sie sind daher lediglich ein Dienstleistungs- und Handelsgewerbe, das nach § 343 HGB seinen Geschäftsbetrieb versieht. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag (örV) mit mir kann also auch hierbei nicht beansprucht werden, da ein solcher ÖrV lediglich zwischen einer Behörde und einer natürlichen oder juristischen Person geschlossen werden kann, sofern sie beidseitig ihre Willenserklärung bekunden. Als ein Gewerbebetrieb können Sie daher bestenfalls einen privatrechtlichen Vertrag mit mir ab-schließen, sofern ich das möchte. Jedoch haben Sie auch hier keinen Rechtsanspruch auf das Zustandekommen irgendeines Vertrages. Sie sind, ob Sie das nun verstehen möchten oder nicht, zur Sicherung des Lebensunterhaltes ohne Rechtsanspruch auf Gegenleistung in Form eines Vertrages gesetzlich verpflichtet. Sie haben mir daher eine offenkundige Rechts-grundlage schriftlich nach § 126 BGB und § 33 Absatz 3 SGB X vorzulegen, falls Sie eine andere Meinung vertreten.

Saturday, 16 November 2013

Totalsanktionen und Obdachlosigkeit

Es findet gerade eine weitere Radikalisierung des Kapitalismus im großen Ausmaße statt. Menschen werden vermehrt aussortiert und vorsätzlich in den Selbstmord getrieben. Dieser Prozess befindet sich noch im Anfangsstadium, eine signifikante Steigerung innerhalb der kommenden Legislaturperioden zeichnet sich heute deutlich ab. Großbritannien ist Deutschland im Sozialabbau um einige Schritte voraus. Der Versorgungsträger (DWP) beauftragt seit einiger Zeit bereits ein privates Unternehmen (ATOS) um Schwerkranke und Schwerbehinderte evaluieren zu lassen. Dabei fällt auf, daß nahezu ausnahmslos jeder Betroffener als 100% gesund erklärt und somit dem Arbeitsmarkt zwangsweise zugeführt wird. Die bisherige Unterstützungen für Menschen in besonders schwierigen Lebenslagen werden in regulärer Hilfe zum Lebensunterhalt, mit regelmäßigen Bedarfsprüfungen umgewandelt. In Verbindung mit dem staatlich angeordneten, extensiven Missbrauch des Sanktionssystems, in dem Bedürftige unter Bezugnahme von fadenscheinigen Gründen im großen Umfang runtersanktioniert werden, muss inzwischen von zahlreichen Todesopfern dieses System gesprochen werden. Um überhaupt noch einen Überblick zu bekommen, verfolge ich eine Interessensgruppe auf Facebook, welche 18.910 Mitglieder zählt (Stand: 16.11.13) und sich hauptsächlich um Schwerkranke und Schwerbehinderte kümmert.

Die großen Medien machen auf die wichtigen Probleme nicht mehr aufmerksam, sie unterliegen einer politischen Zensur. Es ist erstaunlich, daß sich immer noch genug Mitläufer finden, welche das menschenverachtende System bereit sind mit aufrecht zu erhalten. Ich klage das Schulsystem dafür an, welches Kinder und Jugendliche in ihrer empfindlichsten Phase zu gehorsamen Erwachsenen abrichtet, bei Tieren nennt man diesen Prozess "domestizieren". Manche behaupten sogar, daß eine nennenswerte, soziale Reform der Gesellschaft eine Schulreform voraussetzen würde. Der Zusammenhang leuchtet mir umgehend ein.

Der Staat ist nahezu komplett von der Wirtschaft instrumentalisiert worden. Statistisch relevante Angaben werden entweder nicht preisgegeben oder erst garnicht erhoben. In 2011 sollen es über 10.400 Totalsanktionen gegeben haben. Im selben Jahr gab es bundesweit etwa 24.000 obdachlose Menschen, 10% mehr als im Vorjahr. Wie auch die Vermögensverteilung bereits seit Jahrzehnten von Jahr zu Jahr stetig ungleicher wird (u.a. eine unmittelbare Auswirkung des Zins-Geldsystems), so wird die Spaltung zwischen oben und unten, mit allen Konsequenzen, auch in Zukunft weiter vorangetrieben. Nach Angaben verschiedener Experten wird es in absehbarer Zeit (innerhalb dieses Jahrzehnts) zu einem wirtschaftlichen Kollaps kommen, welcher einen oder einer Kombination von etwa drei möglichen Wegen kurzfristig erzwingen wird:

1 - Schuldenschnitt
2 - Geldentwertung (Inflation)
3 - Umverteilung von oben nach unten

Sunday, 10 November 2013

Eine neue Grafikkarte



Soll die neue Grafikkarte 2 oder 4 GB VRAM besitzen? Die folgende Tabelle beantwortet die Frage:












Es gibt keinen nennenswerten Leistungsunterschied zwischen 2 und 4 GB Grafikkarten bei einer Auflösung von 1920x1080. Ein größerer VRAM bringt einen geringen  Leistungsvorteil, bei einer erheblich höheren Auflösung unter der Benutzung von drei Monitoren gleichzeitig zum einen, und eine erhebliche Zeitersparnis bei gewissen rechenintensiven Aufgaben (über die ich mich bisher noch nicht näher informiert habe) zum anderen. Die Preise für die GTX 770 und die 780 sind in letzter Zeit erheblich gefallen. Die Frage ist nun, ob es die eine oder die andere werden soll. Die EVGA GeForce GTX 770 2GB Superclocked mit Titan Kühler kostet zur Zeit 351,85 Euro. Die EVGA GeForce GTX 780 3GB mit Titan Kühler kostet zur Zeit 437,21 Euro.
































Hardware Compare

GPU Boss

GTX 780Ti Review

6 Modelle GTX 770 im Text

Thursday, 7 November 2013

Frühe Fremdbe­treuung schadet Kindern und Eltern




Vor 8 Jahren hat die Dipl. Psychologin und Psychotherapeutin Antje Kräuter die Initiative Frühe Kindheit ins Leben gerufen, mit der sie und ihre Mitstreiter insbesondere für eine innige Mutter-Kind-Beziehung werben. FreieWelt.net sprach mit ihr über ihre Initiative, die Bedeutung einer sicheren Eltern-Kind-Bindung und die Gefahren der aktuellen Krippenpolitik. 




FreieWelt.net: Frau Kräuter, was zeichnet eine sichere Mutter-Kind-Bindung aus?


Antje Kräuter: Sicher gebundene Kinder wenden sich von Anfang an bei Unsicherheiten an ihre Hauptbezugsperson. Das Menschenkind kommt sehr unreif auf die Welt, sein Gehirn ist nur soweit entwickelt, dass es seine Hauptbezugsperson erkennt und ihren Schutz und ihre Nahrung (Stillen) anstrebt. Erst nach neun Monaten der Exterogestation (Schwangerschaft außen am Bauch der Mutter fortgesetzt) fängt es in der Regel an, auch mal ein Stück von ihr fort zu krabbeln. Ab diesem Zeitpunkt hält es das Band zur Mutter weiter aufrecht, indem es immer wieder ihre Nähe zum Auftanken oder später mit den Augen nach ihr sucht, um ihren Blick der Bestätigung abwartend seine Erkundungszüge in die Umwelt angstfrei fortsetzen zu können. Im späteren Leben suchen solche Menschen bei Schwierigkeiten die Nähe wichtiger Anderer und ziehen sich nicht depressiv zurück oder begehen keine aggressiven Handlungen.

FreieWelt.net: Unter welchen Voraussetzungen kann eine gute und sichere Bindung gelingen?

Antje Kräuter: Das Kleinstkind entwickelt eine sichere Bindung, wenn die Mutter von Anfang an feinfühlig die Signale ihres Kindes entschlüsselt und prompt und richtig beantwortet. Dazu gehört auch, dass sie sich nie weit vom Baby entfernt, es überall hin mit nimmt, was man am besten mit einem Tragetuch realisieren kann. Trennungen verunsichern Babies und Kleinkinder sowie auch die Praktiken des Schreien-Lassens nach der unseligen Theorie der Nazi-Ärztin Haarer, dass das Schreien die Lungen stärke. Besonders in der Nacht formen wir das Gehirn unseres Kindes in seinen basalen emotionalen Zonen in Richtung Angstfreiheit und Sicherheit, indem die stillenden Mütter unter Haut-oder Körperkontakt mit ihrem Baby das sogenannte Co-sleeping praktizieren. Durch Störungen im emotionalen Austausch und körperlichen Kontakt zwischen Mutter und Kind oder Vernachlässigung und Misshandlung – besonders durch nahestehende Bezugspersonen – entwickelt sich entweder sichere Bindung gar nicht erst oder aber wird durch Trennungen gefährdet. Denn das, was einem von den Eltern getrennten Kleinkind unter Umständen zustößt, beeinträchtigt die sichere Bindung, da das Kind in seinen allerersten Lebensjahren ja noch gar nicht sicher weiß, dass die Mutter oder der Vater davon gar keine Kenntnis haben. Von selbst werden sie es somit kaum “erzählen”.

FreieWelt.net: Welche Bedeutung hat eine intensive Bindung zwischen Mutter und Kind für die Entwicklung des Kindes?

Antje Kräuter: Eine sichere Bindungsentwicklung im ersten Lebensjahr sollte eigentlich ein Lebensrecht jedes Menschen sein, denn sie liefert die Voraussetzung dafür, dass sich sein Gehirn und davon abhängig alle Stoffwechselleistungen, d.h. auch die gesamte körperliche Entwicklung, störungsarm entfalten können. Die Grundlage dafür ist ihre Angstfreiheit und davon abhängig die Stressarmut gegenüber falsch behandelten Babys und Kleinkindern. So führt schon die natürliche Geburt mit anschließendem Bonding der Mutter an das Kind zum Verlieben der Mutter in das Kind und begünstigt die Stillhormone Prolaktin und Oxytocin. Diese befinden sich im Körper von Mutter und Kind während der gesamten Stillzeit von mindestens zwei Jahren (lt. WHO-Richtlinie) und erleichtern das Bemuttern hormonell, führen zur Stressarmut bei Mutter und Kind und zu Liebe und Bindung. Auch das Tragen am Körper – zum Beispiel während der Hausarbeit – oder das Co-Sleeping erhöhen den Oxytocinspiegel und die Wohlfühlhormone (Endorphine) und senken den Stress bei beiden. Je höher v.a. sozialer Stress durch Trennungsschmerz ist, umso ungünstiger entwickelt sich das Cortisol-Profil beim Kind, was lebenslange negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat.


FreieWelt.net: Nun gibt es ja meistens nicht nur eine Mutter. Welche Rolle spielt der Vater in dieser Beziehung bzw. welche Bedeutung kommt ihm zu? Wie wichtig ist die Bindung des Kindes an den Vater?

Antje Kräuter: Der Vater hat in der heutigen Kleinfamilie eine wichtigere Funktion, da er oft leider die einzige Unterstützung für die Mutter darstellt. Ein Baby und Kleinkind kostet enorm viel Zeit für Aufmerksamkeit und liebevolle Betreuung, wobei Mütter in feinfühligeren Kulturen meist stärker durch Verwandte unterstützt werden, und das nicht nur bei Naturvölkern. Ein “Kind großzuziehen bedarf es eines ganzen Dorfes” ist ein bewährter Spruch aus Afrika. Der Vater sollte die Mutter vor allem emotional und tatkräftig im Haushalt unterstützen und abends zum Beispiel das Tragen und Spielen mit dem Baby und Kleinkind übernehmen. Die Mutter ist meist biologisch mehr ausgerichtet auf Pflege und Ernährung, der Vater zeigt in der Regel die Welt und geht auch ein wenig forscher mit dem Kind um. Beide jedoch sollten liebevoll mit dem Baby schmusen und sprechen. Ein feinfühlig interagierender Vater kann dann auch mit einer sicheren Bindung des Kindes an ihn rechnen. Diese Auswirkungen sind v.a. bei der späteren Partnerwahl und Elternschaft zu erkennen.


FreieWelt.net: Unter dem Label „frühkindliche Bildung“ wird für eine möglichst frühe Betreuung der Kinder außer Haus geworben. Und immer mehr Eltern entscheiden sich auch, Ihre Kinder bereits mit einem Jahr in einer Kinderkrippe betreuen zu lassen. Welche Konsequenzen hat das für die Eltern-Kind-Bindung?


Antje Kräuter: Da sich das Bindungssystem im ersten Lebensjahr formt, müssen wir verstärkte Aufmerksamkeit auf diese Zeit richten. Eltern, die hier eine feinfühlige Bindung zum Kind entwickeln konnten, bringen es kaum über das Herz, das Kleinstkind schon so zeitig für viele Stunden außer Haus, v.a. zu fremden Personen, zu geben. Im Osten werden junge Eltern auf Grund der Krippentradition von ihren eigenen Eltern dahingehend beeinflusst, dass ihnen Krippe doch auch nicht geschadet hätte. So gehen sie den ungünstigen und schweren Weg, haben aber sicherlich kein eigenes sicheres Bindungsmuster. Insofern hat die Krippenbetreuung eben doch geschadet, erkennbar auch daran, dass die Großeltern weder bei ihren Kindern noch beim Enkelkind die Qual wahrnehmen können oder wollen. Denn auch die Eltern werden durch Trennung vom Kleinstkind in ihrer Bindungsfähigkeit zu ihm beeinträchtigt. Oft bleibt ein schlechtes Gewissen, dass dann durch Verwöhnen mit materiellen Dingen beruhigt wird. So kann eine narzisstische Störung des Kindes entstehen.

Unser Focus muss aber verstärkt auf die körperlichen Folgen gerichtet sein: auf den Einfluss des Trennungsstresses auf das gesamte Wachstum- und sonstige Hormonsystem, da in hilflosen Situationen beim Kind verstärkt Cortisol ausgeschüttet wird und sich das Stresshormonprofil ungünstig manifestiert mit all den auch körperlich nachteiligen Folgen. Ein kleines Kind ist ohne eine ausreichend sichere Bindungsperson völlig überflutet mit Angst und Stress, so dass es viel schlechter lernen kann. Es gibt eine bekannte und gesicherte “Binsenweisheit” in der Psychologie: Lernen ist nach dem Entwicklungspsychologen Erik Erikson nur im entspannten Feld möglich- oder anders ausgedrückt: Wenn das Bindungs(-such-)system aktiviert ist, ist das Erkundungssystem blockiert! Somit ist es fachlich absurd, von einer Bildung in dieser frühen Zeit zu sprechen, sondern die Bildungsfähigkeit bildet sich in den ersten Jahren durch Bindung und Sicherheit unter Abwesenheit von Angst und Unsicherheit heraus.


FreieWelt.net: Haben Sie eine Empfehlung, ab wann man sein Kind problemlos für mehrere Stunden am Tag außer Haus betreuen lassen kann?

Antje Kräuter: Das richtet sich immer nach dem Kind und auch nach der Bindungsstruktur. Ein Kind mit einer sicheren Bindung verkraftet eine kurzzeitige Trennung besser als die Kinder mit den unsicheren Bindungsmustern. So läuft die Politik mit dem Ansinnen, Kinder aus beeinträchtigenden Familien in die Krippen zu retten, völlig fachlich falsch. Denn gerade bei diesen Kindern wurde nachgewiesen, dass sie durch Trennung noch mehr körperlich mit einem noch ungünstigeren Cortisolprofil reagieren! Das verstärkt die negativen Einflüsse auf deren psychische und körperliche Entwicklung!

Der Beginn der Trennung mit 12 Monaten ist folgenschwer, da in dieser Zeit das Kind oft noch fremdelt. Es hat noch kein eigenes “Ich” entwickelt, kann nicht verstehen, warum die Mutter nicht bei ihm ist und fühlt sich nicht wertvoll genug, dass sie bei ihm bleibt. Es versteht nicht, wohin sie geht, wann und ob sie wiederkommen wird. Es versteht erst in einigen Jahren ein “warum”. Hier können im Zusammenhang mit anderen Faktoren Selbstwertprobleme, Ängste und manchmal auch Depressionen bei später erlebten Verlusten, sogar bei Verlust des Jobs entstehen.
Ein Kind sollte selbst entscheiden können, ob es in eine Kindergarten-Spielgruppe gehen möchte. Das kann es aber erst frühestens ab der zweiten Hälfte des vierten Lebensjahres. Auch hier wäre eine Halbtagsbetreuung für einige Stunden besser als eine Ganztags-Trennung von seinen liebsten Menschen.


FreieWelt.net: Fast 70% der Eltern würden ihr Kind in den ersten drei Jahren daheim betreuen, wenn sie die finanziellen Mittel dafür hätten. Was meinen Sie, warum forcieren die meisten Politiker einen intensiven Ausbau flächendeckender Ganztagsbetreuung bereits für die Kleinsten, statt diesem Wunsch gerecht zu werden?


Antje Kräuter: Manchmal ist man geneigt, fachliche Unkenntnis dafür anzunehmen, was sicher auch bei vielen Nachsprechern der Fall ist. Aber da die großen Industrien nicht schlafen und in alle Richtungen selbst forschen, hat man den schlimmen Verdacht einer großangelegten Manipulation an der Volksgesundheit. Diese würde steigenden Absatz, zum Beispiel für Psychopharmaka, garantieren.
Desweiteren hat bereits Hitler verstanden, ein ganzes Volk zu manipulieren, indem er versuchte, die Mutter-Kind- Bindung zu zerstören (Dr. Haarer: Die (deutsche) Mutter und ihr erstes Kind). Damit züchtete er bindungsunsichere und willig folgende Untertanen. Über diese Zeit – die Mutter und Kinder betreffend – sind viele Bücher erschienen (Chamberlain: Adolf Hitler, die deutsche Mutter und ihr erstes Kind; Götze: Kinder brauchen Mütter). Alle Diktaturen haben an der Mutter-Kind-Beziehung gedreht, auch die Sowjetunion und die DDR mit Wochenkrippen und Ganztagskrippen.

Heute besteht das Diktat der Wirtschaft. Medienkonzerne sind eng mit der Wirtschaft liiert (Wernicke, Bultmann: Netzwerk der Macht – Bertelsmann). Diese Machtstrukturen wollen überleben, dafür brauchen sie unselbständige und unsichere Menschen, die das konsumieren, was produziert und angeboten wird. Über einen künstlich geschaffenen sogenannten “Bildungsbereich (Frühe) Kindheit” sollen Milliarden umgesetzt werden.

Menschen, die Krippe empfehlen, können selbst eigentlich kein sicheres Bindungsmuster haben. Sichere Menschen können sich einfühlen, und auch in die Bedürfnisse eines Kindes, da man mit ihnen auch in der Kindheit einfühlsam umgegangen ist. An Entscheidungsstellen scheinen eher Menschen mit einem unsicher-vermeidenden Bindungsmuster zu sein, die ihr Leben lang “Auf der Suche nach dem verlorenen Glück” sind, ein empfehlenswerter Buchtitel der Psychologin Jean Liedloff.


FreieWelt.net: Was sind die Ziele Ihrer Initiative im Einzelnen und mit welchen Projekten und Aktionen versuchen Sie diese zu erreichen?


Antje Kräuter: Einige von unseren Mitstreitern haben bereits mit mir 2007 angefangen, unsere wechselnden Ministerpräsidenten auf die Gefahren der Krippenpolitik in jeweils einem ausführlichen Brief hinzuweisen, die jedoch mit lapidaren Antworten der jeweiligen Referenten zurück kamen: “In unseren Krippen wird gute pädagogische Arbeit geleistet”. Deshalb richteten wir 2010 eine Website ein und druckten Flyer, Visitenkarten und Plakate: www.fruehe-kindheit.net.
Wir haben uns das Ziel gesetzt, die Möglichkeiten der Prävention von ständig zunehmenden psychischen Störungen, von Gewalt und Süchten aufzuzeigen. Dabei möchten wir versuchen zu vermitteln, wie wichtig in diesem Zusammenhang die Einflüsse in den ersten drei bis vier Jahren für die Entwicklung eines Kindes sind.

Wie mittlerweile durch jahrelange Forschung festgestellt wurde, spielt dabei die Bindungssicherheit der Kinder eine sehr große Rolle, wodurch Ängstlichkeiten und Unsicherheiten vorgebeugt wird. Diese können der emotionalen Entwicklung und der Intelligenzentwicklung im Wege stehen sowie die gesundheitliche Entwicklung gefährden.
Wir möchten deshalb aufzeigen, wie es möglich ist, dass jedes neu geborene Kind von Schwangerschaft und Geburt an während der ersten drei bis vier Jahre ein solches “sicheres Bindungsmuster”, wie es die Fachsprache ausdrückt, ausbildet.

Wir nehmen an verschiedenen familiennahen Events teil, halten Vorträge und werden zu workshops eingeladen. Ich sprach auch 2010 im Sächsischen Landtag zur Krippenpolitik.
FreieWelt.net: Welche Resonanz erfahren Sie mit Ihrer Arbeit?
Antje Kräuter: Sehr gute Resonanz erfährt unsere Website! Außerdem haben wir im Frühjahr dieses Jahres als Initiative eine eigene ganztägige Fortbildung für 150 Fachleute im interdisziplinären Bereich “Frühe Kindheit” mit einigen namhaften Referenten organisiert und einen großen Zulauf bekommen.


FreieWelt.net: Was wünschen Sie sich für Ihre Arbeit von der Politik?


Antje Kräuter: Dass sie sich endlich auf ihre ureigenste Aufgabe besinnt: Nämlich für die Menschenrechte und nicht für Wirtschaftsinteressen einzutreten, wenn es um die Gesundheit unserer Kinder geht. Vielleicht sollte man eine Ausbildung für Abgeordnete organisieren, damit diese lernen, wen sie im Bedarfsfall fachlich fragen sollten, sei es um etwas über wissenschaftliche Methoden zu lernen, um Studienergebnisse bewerten zu können, die ansonsten kritiklos von ihnen übernommen werden, wie z.B. die fragwürdige Interpretation der Bertelsmann-Studie über Krippe und späteren Gymnasiumsbesuch, die auf der Seite des Familiennetzwerkes wissenschaftlich klar gestellt wurde.
Wenn man etwas über psychische Auswirkungen durch Mu-Kind-Trennungen erfahren will, muss man übrigens Bindungsforscher und nicht drei Wirtschaftsinstitute, die uns Steuerzahlern 13 Mio. gekostet haben, fragen!
Oder Abgeordnete informieren sich einfach auf unserer übersichtlichen Seite (“frühe Kindheit” ist bei google an erster Stelle!), z.B. über die komplexen Bindungsfaktoren. Und dort gibt es auch viele Buchempfehlungen!

FreieWelt.net: Vielen Dank für das Gespräch!


Dipl. Psychol. Antje Kräuter
Psychol. Psychotherapeutin
Elternberaterin von 0 bis 3
Stillberaterin AFS
www.fruehe-kindheit.net


Quelle

Tuesday, 5 November 2013

Wer Freiheit will, muss mit Ungewissheit umgehen können



Kürzlich habe ich Zygmut Baumans „Flüchtige Zeiten. Leben in der Ungewissheit“ gelesen. Bauman ist ein Soziologe polnischer Herkunft und pessimistischer Kritiker der Postmoderne.

Kontrolle gegen Ungewissheit?

Bauman beschreibt pointiert, in welcher Weise die Komplexität der Welt zugenommen hat und wie die Menschen dadurch immer mehr in die Ungewissheit getrieben werden. Diese Ungewissheit ruft nach Stabilität und Sicherheit, was sich z.B. in Kontrollwut und Überwachung äussert. Die Staaten verlieren u.a. durch neoliberale Deregulierungen die Macht und werden von Globalisierungsmächten ausgehöhlt, was auch zum Abbau sozialer Sicherungssysteme beiträgt. Dadurch wird der Ruf nach sicheren und kontrollierten Lebensräume noch verstärkt.
Schnelle Veränderungen zwingen die Menschen laufend dazu, Entscheidungen zu treffen, für die sie die Verantwortung gar nicht mehr übernehmen können, weil sie die Konsequenzen und Risiken nicht überblicken und daher nicht beeinflussen können. Die Demontage staatlicher und kollektiver Schutzmechanismen betont den Individualismus dadurch, dass wir individuelle Lösungen für gesellschaftlich erzeugte Probleme suchen muss.

Halten wir die Freieheit, die wir wünschen, überhaupt aus?

Wir haben uns Freiheit gewünscht und erfanden dafür Liberalismus, Individualisierung, Globalisierung und das Internet. Diese Utopien erweisen sich nun als Dämonen. Die Ungewissheit, die mit der Freiheit einhergeht, halten wir nicht aus und verkehren sie in das Gegenteil.
Der bekannter Journalist sagt in einem Interview:

» Das Internet hat uns das grosse Versprechen der Befreiung und Demokratisierung gegeben. Das kommunikative Netzwerk sollte den Bürgern ermöglichen, Machtmissbrauch gemeinsam zu bekämpfen. Nun ergreift der Überwachungsstaat die Macht im Netz. Er will dieses Werkzeug der Freiheit in sein Gegenteil verkehren, in ein Werkzeug der Kontrolle. Wir stehen am Scheideweg «

Ungewissheit gebiert immer Angst, sowohl in kleinen Projekten, als auch in geopolitischen Zusammenhängen. Ungewissheit kann weder durch ein Vorgehen in kleinen Schritten noch durch verstärkte Kontrollprozesse vermieden werden. Es sieht vielmehr so aus, dass jede Massnahme, die Ungewissheit vermindern soll, sie nur verstärkt. Es ist die Logik der Verschlimmbesserung. Peter Senge nennt es den Archetypus von „Fixes that Fail“.
 
Einzig das Vertrauen in die eigenen Problemlösungsfähigkeiten kann uns helfen, mit ungewissen Entwicklungen umzugehen. Aber komplexes Problemlösen muss gelernt werden. Es hilft uns auf der Gratwanderung zwischen der Ungewissheit der Freiheit und dem Gefängnis des Kollektivismus.

Quelle

Sunday, 3 November 2013

Die Angst der Elite vor der Bevölkerung




Dass sich eine herrschende Elite von dem Volk in Burgen, Schlössern und ummauerten Klöstern versteckt, ist uns aus der Geschichte bekannt. Weniger bekannt ist der bedrückende Umstand, dass sich daran nichts geändert hat. Nur die Mauern sind unsichtbar geworden. Die US-Kulturhistorikerin, Schriftstellerin und Journalistin Rebecca Solnit erklärt in einem Interview anlässlich ihres vorletzten Buchs „A Paradise Built in Hell“ (Penguin, ab 12,70 €) ganz analog zum aktuellen Anschlag in Boston, zu dessen Aufklärung Tausende von Polizisten eine Million Bürger unter Hausarrest stellten, den Begriff „Elite Panic“. Sie sagt: Angehörige der Elite nehmen an, dass der Mensch von Grund auf selbstsüchtig, käuflich und irgendwie unmenschlich sei; im Wesentlichen so wie sie selbst. Niemand, so bestätigt uns Solnit, werde unermesslich reich und mächtig, indem er von Grund auf gut sei. Die Elitemitglieder gingen also davon aus, dass nur ausschliesslich ihre eigene Macht ein allgemeines Ausbrechen von zügelloser Gewalt verhindere.

Diese Perspektive ermöglicht es uns, das Verhalten von Angehörigen der Elite besser zu verstehen. Gerade auf Veranstaltungen der Zivilgesellschaft (Bürgerforen, Demonstrationen) erlebe ich immer wieder, wie Bürger entsetzt fragen, wie denn Politiker in diesen oder jenen Angelegenheiten so entscheiden könnten, wie „dumm“ Politiker doch seien. Ein schreckliches Missverständnis. Die Leute in den Brennpunkten der Entscheidung sind keineswegs dumm, sondern verfolgen eben nur ihre eigenen Interessen. Und wer einmal in den Kreis der Elite aufgestiegen ist, verteidigt die Interessen seiner neuen Zugehörigkeitsgruppe, in der Regel gegen die Interessen der Gesamtbevölkerung.

Die ständig wiederholten Forderungen einflussreicher Politiker nach mehr Überwachungskameras, mehr Kontrolle von Mobilfunktelefonie und Internetkommunikation, mehr biometrischer Überwachung, weiterer Aufrüstung der Polizeikräfte bei gleichzeitiger Anonymisierung der Polizisten sind direkte Folgen einer Angst vor einer unkontrollierbaren Bevölkerung, die sich ungezügelt dann ebenso skrupellos und machthungrig verhalten würde, wie man das eigentlich von sich selbst zugeben müsste.

Die Vorteile der Zugehörigkeit sind andererseits so massiv, dass nahezu jeder, der ein solches Angebot bekommt, auch darauf eingeht. Das führt dazu, dass nahezu jeder, der ausreichend Erfolg hat, in die herrschende Gesellschaftsschicht assimiliert wird. Und damit ihre Reihen und ihre Macht verstärkt. Daeaus resultiert zum Beispiel ein Glaubwürdigkeitsproblem junger, zunächst rebellischer Parteien und Bürgerrechtsgruppen – man geht allgemein davon aus, dass ab einem gewissen Grad des Erfolgs die Verlockungen der Macht so gross sind, dass der ursprüngliche systemkritische Ansatz verschwindet, wie das etwas mit der Gewerkschaftsbewegung oder den Bündnisgrünen passiert ist.

Eine Erneuerung der Demokratie – die ja grundsätzlich dafür erfunden wurde, um die Interessen einzelner Mächtiger mit denen der machtlosen Mehrzahl aufzuwiegen – kann nur gelingen, wenn die Zentralfiguren einer solchen Erneuerungsbewegung (ob diese nun Piratenpartei heisst oder anders) die Kommunikation mit der Basis, also der Allgemeinheit nicht aufgeben. Sobald ein politisch Handelnder die Peergroup wechselt – also von der Gemeinschaft der Bürger in die Gemeinschaft der Elite – ist er für die Erneuerung verloren. Die Herausforderung der nächsten Jahre ist also, einen politischen Gestaltungsprozess zu etablieren, der die handelnden Personen weniger als heute einer solchen Gefahr der Korruption aussetzt – natürlich gegen den Widerstand der Elite, einschliesslich ihrer Medien, die durch ein solches Vorgehen direkt in ihrer Existenz bedroht wird. Die Elite ist die Quelle fast aller heutigen gesellschaftlichen Probleme. Um diese Quelle zu entfernen, genügt es nun eben nicht, ihre Mitglieder umzubringen – an diesem Missverständnis sind die grossen historischen Revolutionen kläglich gescheitert. Statt dessen muss ein System etabliert werden, das ein Anhäufen von Macht verhindert. Ob Karl Marx und Friedrich Engels mit ihrer Idee von der „Diktatur des Proletariats“ in diese Richtung zielten, müssen wir hier nicht entscheiden; alle Versuche auf der Grundlage des Kommunistischen Manifests sind jedenfalls maximal gestrandet.

Anstrengungen in dieser Richtung – der einer egalitären Gesellschaft ohne Ausbeutung der Mehrheit – bedrohen aber zwangsläufig die Interessen, wenn nicht gar die Existenz der Elite, führen also zu immer verzweifelteren Verteidigungsanstrengungen. Was wir heute mit Internetsperren, Vorratsdatenspeicherung, Bestandsdatenauskunft, Indect, Acta, Cispa, Sopa, Tafta und anderen Instrumenten einer modernen Diktatur erleben, sind Ausdruck eines Überlebenskampfs. Wir müssen davon ausgehen, dass dieser Kampf mit allen überhaupt verfügbaren Mitteln geführt wird, und dass Menschenleben dabei keine Rolle spielen.

Selbst wenn wir davon ausgehen möchten, dass der Mensch im Grunde doch gut ist, werden sich trotzdem die selbstsüchtigen, soziopathischen Teile der Gesellschaft zusammenschliessen, um eine Macht-Elite zu bilden. Jedenfalls, solange man sie nicht daran hindert. Um das zu erreichen, werden letztlich die Mittel des zivilen Widerstands genügen. In heutigen Worten: Die heutige, parlamentarische Demokratie muss ein Anarchie-Upgrade erhalten.

Rebecca Solnits Buch „A Paradise Built in Hell“ über die spontane Entwicklung von Zivilgesellschaften in Katastrophensituationen ist derzeit nur in englischer Sprache erhältlich. Ich werde mir am Montag ein Exemplar in meinem lokalen Buchladen bestellen.

Quelle