Schule ist Sklaverei
Der Amerikaner James Bach war leitender Manager bei Apple, ist erfolgreicher Softwareentwickler und Autor - ohne Schulabschluss. Er ist überzeugt davon, dass Unschooling für Kinder das Beste ist - und rät jedem, der keine Lust auf Schule hat, sie einfach abzubrechen. In Interview erklärt er, warum Schule schadet und was im Berufsleben wirklich zählt.
sueddeutsche.de: Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Schulzeit?
James Bach: Ich war ständig wütend, weil ich in diesem Klassenzimmer sitzen und unsinnige Dinge tun musste, die Lehrer
von mir verlangten. In der Grundschule war es noch okay, da fand ich es
spannend. Aber als es mit Hausaufgaben losging, war Schluss mit lustig.
Ich wollte lieber fernsehen oder im Wald spielen und die Welt
entdecken.
sueddeutsche.de: Was ist das Wichtigste, was Sie in der Schule gelernt haben?
Bach: Ich habe gelernt, wie man sich als Sklave fühlt.
Schule ist moderne Sklaverei. Da stehen Lehrer, die den Kindern sagen:
"Du musst machen, was ich dir befehle. Ganz egal, ob du willst oder
nicht." Das ist ein destruktives System. Kinder werden ohne Respekt
behandelt. Deshalb gibt es so viele aggressive Jugendliche: Sie alle
stecken in einem System fest, das sich nicht um sie schert. Ich habe
darauf reagiert und die Schule mit 16 Jahren abgebrochen.
sueddeutsche.de: In der Schule kann man nicht immer das machen, wozu man Lust hat. Bereitet das nicht auf das Berufsleben vor?
Bach: Alle sagen, auch als Erwachsener hätte man
bestimmte Pflichten und Verantwortung. Das ist Blödsinn. Als Erwachsener
hat man völlige Freiheit. Alles was man tut, tut man aus einer eigenen
Entscheidung heraus. Alle Pflichten wählt man selbst. Ich tue nur, wozu
ich Lust habe - und verdiene gut damit.
sueddeutsche.de: Sie ermuntern Jugendliche dazu, die Schule abzubrechen, weil Sie selbst damit Erfolg hatten. Sind Sie nicht die große Ausnahme?
Bach: Nein, ich bin ein Mensch mit Schwächen, wie alle anderen auch. Beispielsweise habe ich keine Disziplin im Lernen
und Arbeiten. Manchmal kann ich berufliche Termine nicht einhalten,
weil ich während der Arbeitszeit ein interessantes Buch entdecke, das
mich fesselt. Dann muss ich den Termin verschieben. Das mache ich nicht
gerne, aber so ist es einfach. Mit 15 dachte ich, ich hätte keine
besonderen Talente. Ich wurde beinahe depressiv deswegen. Aber jeder
findet irgendwann seine ureigenen Fähigkeiten, wenn er es zulässt und
sich nicht durch irgendwelche Bildungsinstitutionen quält.
sueddeutsche.de: Ihr Sohn hat sich mit 14 Jahren dazu
entschlossen, ebenfalls die Schule abzubrechen. Hat das Ihre Sicht auf
die Dinge verändert?
Bach: Als Vater spüre ich natürlich Angst. Ich möchte,
dass mein Sohn gut in Mathematik ist, dass er Geschichte lernt oder
Latein. Aber er tut es nicht. Er lernt eigentlich gar nichts - außer er
steht vor einem konkreten Problem. Dann lernt er, was er braucht, um
dieses Problem zu lösen. Aber selbst wenn ich ihn unter Druck setzen
würde: Er würde es machen, wie Schulkinder in der ganzen Welt. Sie tun
so, als ob sie etwas lernen, aber sofort nach der Prüfung vergessen sie
es wieder.
sueddeutsche.de: Wenn nicht in der Schule - wie lernen Kinder am besten?
Bach: Ich glaube, bis sie 30 Jahre alt sind, sind sie
sowieso ziellos und verwirrt, erst danach werden sie anfangen, wirklich
das zu lernen, was ihnen wichtig ist und was sie weiter bringt. Ich zum
Beispiel bin inzwischen ein sehr intellektueller Mensch, ich lese
Mathematikbücher, weil ich sie spannend finde, ich interessiere mich für
Philosophie, ich liebe Geschichte. Und das macht mich geduldig. Ich
weiß, dass auch mein Sohn irgendwann anfängt sich selbst zu bilden.
sueddeutsche.de: Glauben Sie, jeder Mensch entwickelt irgendwann einen solchen Lernwillen wie Sie?
Bach: Wahrscheinlich nicht. Aber jeder von uns hat
besondere Talente. Und ich bin davon überzeugt, dass jeder früher oder
später diese Talente nutzt, um sich weiterzuentwickeln. So funktioniert
Ehrgeiz. Dafür braucht man keinen Master und kein Diplom.
sueddeutsche.de: Trotzdem sind Schul- und Studienabschlüsse oft
die Voraussetzung für einen Job. Wie können sich Schulabbrecher auf dem
Arbeitsmarkt behaupten?
Bach: Ich rate ihnen: Findet etwas, worin Ihr gut seid. Baut
Eure Fähigkeiten in diesem Gebiet aus. Arbeitet - auch wenn Ihr kein
Geld dafür bekommt. Macht auf Euch aufmerksam. Dann bekommt Ihr auch
einen Job, weil die Leute irgendwann erkennen, dass Ihr in dem, was Ihr
tut, gut seid.
sueddeutsche.de: Sie haben sehr früh Karriere bei Apple
gemacht, sind heute erfolgreicher Software-Tester. Wie konnten Sie ohne
Schulabschluss so erfolgreich werden?
Bach: Indem ich nicht die Ideen anderer Leute kopiert
habe, die mir irgendjemand vorgesetzt hat. Stattdessen bin ich selbst
aktiv geworden und habe etwas Neues entwickelt. Und ich habe den Leuten
meine Entwicklungen gezeigt - so lange bis sie auf mich zugekommen sind.
sueddeutsche.de: In Deutschland herrscht Schulpflicht, selbst wenn Kinder und Eltern es wollten: Sie können nicht einfach die Schule abbrechen.
Bach: Das finde ich kurios. Deutschland glaubt, Kinder
müssten offizielle Schulen besuchen, um gute Bürger zu werden. Das ist
ein Widerspruch. Wie kann ich die Meinung von Bürgern, die zwangserzogen
wurden, als freie Meinung ansehen? Die deutschen Bürger sind das
Produkt von Sklaverei. Deutsche Politiker sagen, die Schulpflicht ist
richtig. Das tun sie nur, weil ihnen diese Idee eingetrichtert wurde,
während sie selbst jahrelang gezwungen waren, in Klassenzimmern zu
sitzen. Ich glaube, dass nur eine freie Erziehung auch eine freie
Meinungsbildung möglich macht.
sueddeutsche.de: Was würde passieren, wenn sich plötzlich alle Kinder dazu entschieden, die Schule zu schmeißen?
Bach: Was soll schon passieren? Lehrer
würden protestieren, weil sie ihren Job verlieren, aber die Erde würde
sich weiterdrehen. Vielleicht würde die Welt sogar besser werden, denn
Kinder, die gezwungen wurden, zu lernen, werden irgenwann zu
gefährlichen Erwachsenen, die ebenfalls wieder Leute zwingen zu lernen.
sueddeutsche.de: Wie sollte Schule sein, damit sie funktioniert?
Bach: Ich finde das Prinzip der Montessori-Schulen gut.
Jedes Kind sucht sich dort aus, was es gerade lernen möchte. Und selbst
wenn es in der Schule nichts lernen möchte: Man lernt sein ganzes Leben, Bildung hat nichts mit Schule zu tun.
Quelle 17.02.10
Dazu passend: Franz ist anders als Ulrike
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