Tuesday, 12 August 2014

Gehorsam macht dumm

Gehorsam macht dumm
Von WOLFGANG BERGMANN


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Winterhoff hat nicht verstanden, dass Kinder einen Wunsch nach ermutigendem Gehorsam haben. Nicht nach einem, der sie duckt und klein macht. Kinder wollen Autorität, aber eine richtige, keine aufgeblasene. Väter mit hochrotem Kopf, die sich "mal richtig durchsetzen", sind für Kinder nur albern. Sie wollen aber Respekt vor ihren Eltern haben. Ein Blick in die Entwicklungspsychologie verrät, warum das so ist.

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Knapp skizziert: Kinder lernen eigentlich schon vor der Geburt. Mamas Stimme, der Rhythmus ihrer Bewegungen, Mamas Ärger und Freude - alles durchströmt das reifende Wesen in seinem vorgeburtlichen Eins-Sein mit der Mutter. Das sind die ersten Erfahrungen, sie bleiben im Unbewussten verankert.

Nach der Geburt lernen Kinder dann als allererstes sich selbst kennen: über den feinfühligen Austausch mit der Mutter, später kommen der Vater und andere Betreuungspersonen dazu. Im Spiegel ihrer Reaktionen zeichnen sich erste Konturen von Kommunikationsfähigkeit ein.

Aber was ist mit dem Trotz? Kinder wollen kontrollieren, alles soll sich ihrem Willen fügen. Haben Eltern erst einmal verstanden, dass sie es nicht mit einem Machtkampf zu tun haben, sondern mit einem Kampf um Anerkennung, dann ahnen sie zumindest, wie existenziell solche Trotzanfälle sind. Sie verstehen, dass sie mit brachialer Gehorsamserzwingung nichts erreichen, nur eine Beschädigung des kindlichen Vertrauens.

Vertrauen ist aber Grundlage dafür, dass ein Kind sich mutig der Welt zuwendet und ihre Eigenart begreift. Anders gesagt: Gehorsamspädagogik auf Biegen und Brechen macht dumm.

Vater und Mutter und wenige auserwählte Erwachsene sind tief verankert in dem sich entwickelnden "Kern" des kindlichen Selbst. Deshalb wollen Kinder gehorchen, sie wollen horchen, was diese bedeutungsvollen Personen zu sagen und vorzumachen haben.

In ihrem Spiegel entfalten sie ein Bewusstsein ihrer Selbst. Wer diesen Spiegel verdunkelt, erzeugt Wut und seelische Leere, Unruhe und ein Gefühl davon, in dieser Welt nicht zuhause zu sein. Das sind die Konsequenzen der Gehorsams-These von Winterhoff.

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Quelle

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