06.05.14
von Detlef Zöllner
Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, hat jetzt das Sozialgericht in Kiel ein vielbeachtetes Urteil gefällt:
„Ist die Erwerbsfähigkeit von Hartz IV-Beziehern zweifelhaft, darf das Jobcenter keine Eingliederungsvereinbarung abschließen oder den Arbeitslosen zu einer Arbeitsmaßnahme verdonnern.“ (Az.: S 33 AS 357/13 ER).
Der aktuell veröffentlichte Beschluss stammt bereits vom 26. November 2013. Darin wird einem psychisch kranken Hartz IV-Bezieher vorläufig recht gegeben.
Was war geschehen?
Im Beschluss des Kieler Sozialgerichts heißt es:
„Der ärztliche Dienst des Jobcenters hatte am 12. März 2013 ein Gutachten nach Aktenlage erstellt, wonach der Arbeitslose psychisch erkrankt sei. Er leide an einer psychischen Belastungsstörung mit Auswirkungen auf Stimmung, Konzentrationsfähigkeit, soziales Miteinander sowie dem Schlafverhalten. Die Erkrankung habe Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Schaffe es der Hartz-IV-Bezieher, sich eine geeignete therapeutische Unterstützung zu suchen, könne innerhalb der nächsten sechs Monate eine deutliche Besserung eintreten.“
Der Arbeitslose lehnte eine Therapie jedoch ab.
Was tat daraufhin das Jobcenter?
Im Beschluss des Kieler Amtsgericht wird weiter ausgeführt:
„Im Rahmen einer Neubegutachtung allein nach Aktenlage wurde ein halbes Jahr später festgestellt, dass der psychisch kranke Arbeitslose nun „vollschichtig leistungsfähig“ und damit arbeitsfähig sei.“
Die Folge für den Erwerbslosen:
Dazu wird im Beschluss des Kieler Landgerichts hervorgehoben:
„Das Jobcenter wollte den Arbeitslosen nun per Eingliederungsvereinbarung zu einer täglich sechsstündigen Arbeitsmaßnahme verpflichten, in der die Erwerbsfähigkeit geklärt werden sollte. Doch der Hartz-IV-Bezieher wollte die Vereinbarung nicht unterschreiben und legte Widerspruch gegen eine entsprechende Anordnung des Jobcenters sein“.
Die Entscheidung des Kieler Sozialgerichts:
Zu Recht, wie das Sozialgericht feststellte.
„Die Eingliederungsvereinbarung und der dazu erlassene Eingliederungsverwaltungsakt seien „offensichtlich rechtswidrig“. Bei Zweifeln an der Erwerbsfähigkeit dürften diese nicht abgeschlossen beziehungsweise erlassen werden. Dass der Arbeitslose eine fehlende Therapiebereitschaft an den Tag lege und keine attestierte Arbeitsunfähigkeit vorliege, bedeute nicht, dass er wieder erwerbsfähig sei, so die Kieler Richter. Die Erwerbsfähigkeit müsse im Zweifelsfall vielmehr durch eine ärztliche, ambulante Untersuchung bescheinigt werden. Dies sei hier unterlassen worden.“
Bis Abschluss des Hauptverfahrens dürfe der Arbeitslose daher nicht zu der Eingliederungsmaßnahme verpflichtet werden.
Die Berliner Realität
In meiner Petition vom 04. Mai 2014 an den Petitionsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses stelle ich folgende Fragen:
Wie ist die Handhabung mit dem Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen (EGV) bei zweifelhafter Erwerbsfähigkeit in den Berliner Jobcentern? Wird jeder Leistungsbezieher mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung auch durch einen Fallmanager betreut? Warum werden erwerbslose Leistungsempfänger mit einer Behinderung durch die Jobcenter in den sozialen Trägern zu Arbeiten eingesetzt, die sie auf Grund von seelischer oder körperlicher Beeinträchtigung nicht ausüben können? Ich nehme hierbei Bezug auf den Vorfall im Jobcenter Treptow-Köpenick, wo ein gehbehinderter Leistungsbezieher in einem 18-stöckigen Haus ohne Fahrstuhl Kunst fotografieren sollte. Der Fall wurde durch die Hartz IV-Beratungsstelle im Monat März 2014 aufgedeckt und an einen Rechtsanwalt verwiesen.
Einen Lichtblick am Ende des Tunnels gibt es bereits:
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unter Leitung von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat mir die Schaffung eines Pilotprojektes zur Schulung der Fallmanager in NRW bereits schriftlich zugesagt.
Mit freundlichen Grüßen
Detlef Zöllner
Projektleiter Hartz IV-Beratungstelle
Rudi-Nachbarschaftszentrum
Modersohnstraße 55
10245 Berlin
Der Hartz IV Kurier
Quelle
Sunday, 20 July 2014
Der ständige Ärger mit den Eingliederungsvereinbarungen
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