Wednesday, 14 August 2013

Dass der Sozialstaat sich bewährt hat ist ein Witz!

04.08.13

Folgendes Schreiben hat Matthias Lindemer an den Petitionsauschuss und an die Obleute der Fraktionen, im Bezug zur Ablehung der Petition zum Bedingungslosen Grundeinkommen von Susanne Wiest, geschickt.



An die Mitglieder und Mitarbeiter des Petitionsausschusses.

Bezug auf die Begründung die Petition zum Grundeinkommen abzuschließen.

Bereits in den ersten Zeilen bitten Sie um Verständnis, dass nicht auf alle vorgetragenen Aspekte eingegangen werden kann. Dafür habe ich jedoch kein Verständnis! Sie haben sich über 4 Jahre Zeit genommen, sich mit den vorgetragenen Aspekten zu beschäftigen. Da muss man eine bessere Argumentation erwarten können. Zumal alle Abgeordneten über ein staatlich finanziertes Büro mit Mitarbeitenden und Zugang zu Informationen verfügen.

Die aufgeführten Aspekte sind bessere Formulierungen von Stammtischargumenten, die man sonst von Menschen hört, die gerade das erste Mal mit dem Thema Grundeinkommen konfrontiert wurden. Ihre Begründung wirkt, als hätten Sie 2 Wochen an der Formulierung gefeilt ohne sich lange mit dem Inhalt zu beschäftigen.

Dass der Sozialstaat sich bewährt hat ist ein Witz! Dass auch Parteien, die sich im Wahlkampf als „sozial“ darstellen dieses Schreiben unterstützen sagt einiges über den Zustand unserer Demokratie aus.

Dass die Arbeitslosenstatistik gesunken ist hat wenig mit „funktionieren“ zu tun. Es gehen schlicht mehr Menschen in Rente, als Junge Menschen auf den Arbeitsmarkt kommen. Einige befinden sich in Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahmen oder melden sich aus Scham oder Angst nicht an. Und sollte doch jemand einen Job erhalten, so gehen dafür in einem anderen Europäischen Staat 2 Jobs verloren. Neue Arbeit entsteht kaum.


Wir alle kennen Menschen, die von Hartz IV betroffen sind oder sich aus Angst oder Scham nicht Arbeitslos melden. Wir alle kennen Menschen, die an ihrem Arbeitsplatz unwürdige Beschäftigungsverhältnisse akzeptieren, um nicht in Hartz IV zu rutschen. Viele Studierenden warten Monate auf die Bearbeitung ihrer Bafög Anträge oder unterbrechen aus Geldmangel ihr Studium. Junge Menschen wissen genau, dass sie keine Rente erhalten werden obwohl sie von ihrem Praktikumsgehalt in die Rentenkasse einzahlen. Ich selbst benötige Stunden, um aus der Post aller möglichen Ämter schlau zu werden seit ich für ca. 250€/Monat einen Job an der Uni übernommen habe und ständig ein paar € an irgendwelche Sozialtöpfe fließen. Und Sie halten es nicht einmal für nötig ihre Aussage der Sozialstaat habe sich bewährt mit Fakten zu belegen.


Natürlich muss das hohe Niveau eines Sozialstaats erwirtschaftet werden. Das Grundeinkommen ist finanziert! Das Grundeinkommen derer, die heute von einer Sozialleistung leben, finanziert sich durch den Wegfall dieser Sozialleistungen. Das Grundeinkommen derer, die einer Erwerbsarbeit nachgehen finanziert sich indem das Grundeinkommen in das Gehalt hinein wächst. z.B.:


Heute 2000€ Erwerbslohn
mit BGE: 1000€ Grundeinkommen + 1000€Erwerbslohn.

Hinzu kommen Einsparungen bei Bürokratie und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

Abhängig von der wirtschaftlichen Situation ist alles was der Staat an Geld ausgibt. Das trifft nicht nur auf das Grundeinkommen zu, sondern auch auf alle derzeitigen Sozialleistungen zu.

Ihre Behauptung der Anreiz würde sinken, bleibt in ihrer Begründung ebenfalls unbelegt. Anreiz bleibt mit Grundeinkommen erhalten.
Es gibt einen Unterschied zwischen Druck und Anreiz. Anreiz ist z.B. der Lohn, die Anerkennung oder der Sinn einer Arbeit. Was mit Grundeinkommen wegfällt sind Druck und Existenzangst.

Unter Angst und Druck kann man arbeiten wie eine Maschine. Man kann körperlich schwere Arbeit verrichten und körperliche Höchstleistung erbringen. Die Bereiche des Gehirns, die für soziales, Gefühle oder kognitive Fähigkeiten zuständig sind, werden unter Druck und Angst gehemmt.

Dies deckt sich mit Erkenntnissen der Psychologie. Sobald Grundbedürfnisse gedeckt sind, streben wir nach höheren Bedürfnissen bis hin zur Selbstverwirklichung.

Faul werden Menschen nur dann, wenn sie gezwungen werden Arbeit zu verrichten, die sie nicht für sinnvoll halten.

Arbeiten wie eine Maschine ist nicht mehr sinnvoll. Wir haben Maschinen, die uns körperlich schwere oder unangenehme Arbeit zunehmend abnehmen. Wir brauchen Menschen in der Pflege, Erziehung, und der Wissenschaft sowie in der Erfindung und Weiterentwicklung neuer Maschinen. Tätigkeitsfelder in denen Druck und Angst hinderlich sind.

Wäre es wirklich so, dass man aufhört zu Arbeiten sobald für das Überleben gesorgt ist, hätten Sie im Bundestag noch mehr Rücktritte.

Dass die Leistungsfähigkeit eng an den Grad der Beschäftigung geknüpft ist, war in der Vergangenheit der Fall und liegt vor allem an der Besteuerung von Arbeit. Angesichts der zunehmenden Automatisierung verändert sich das. Maschinen zahlen nicht in Sozialkassen ein. Das muss dringend verändert werden. Aber darüber wollen Sie ja nicht diskutieren.

Ihre Begründung sehe ich als Absage an jede konstruktive Diskussion. Für neue Lösungen sind Sie nicht offen. Sie möchten weiterhin die gewohnte im Kreis drehende Diskussion führen welche man von Bundestagsdebatten und Talkshows kennt.


Damit ist Ihre Begründung inakzeptabel, um nicht zu sagen eine Frechheit.

Ich fordere Sie dazu auf eine Enquette-Komission einzurichten und sich eingehender mit der Idee des Grundeinkommenszu beschäftigen.

Ausdrückliche Grüße

Matthias Lindemer

26, politisch aktiver Student

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