Dass der Sozialstaat sich bewährt hat ist ein Witz!
04.08.13
Folgendes Schreiben hat Matthias Lindemer an den Petitionsauschuss und
an die Obleute der Fraktionen, im Bezug zur Ablehung der Petition zum Bedingungslosen Grundeinkommen von Susanne Wiest, geschickt.
An die Mitglieder und Mitarbeiter des Petitionsausschusses.
Bezug auf die Begründung die Petition zum Grundeinkommen abzuschließen.
Bereits
in den ersten Zeilen bitten Sie um Verständnis, dass nicht auf alle
vorgetragenen Aspekte eingegangen werden kann. Dafür habe ich jedoch
kein Verständnis! Sie haben sich über 4 Jahre Zeit genommen, sich mit
den vorgetragenen Aspekten zu beschäftigen. Da muss man eine bessere
Argumentation erwarten können. Zumal alle Abgeordneten über ein
staatlich finanziertes Büro mit Mitarbeitenden und Zugang zu
Informationen verfügen.
Die aufgeführten Aspekte sind bessere
Formulierungen von Stammtischargumenten, die man sonst von Menschen
hört, die gerade das erste Mal mit dem Thema Grundeinkommen konfrontiert
wurden. Ihre Begründung wirkt, als hätten Sie 2 Wochen an der
Formulierung gefeilt ohne sich lange mit dem Inhalt zu beschäftigen.
Dass der Sozialstaat sich bewährt hat ist ein Witz! Dass
auch Parteien, die sich im Wahlkampf als „sozial“ darstellen dieses
Schreiben unterstützen sagt einiges über den Zustand unserer Demokratie
aus.
Dass die Arbeitslosenstatistik gesunken ist hat wenig mit
„funktionieren“ zu tun. Es gehen schlicht mehr Menschen in Rente, als
Junge Menschen auf den Arbeitsmarkt kommen. Einige befinden sich in
Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahmen oder melden sich aus Scham oder Angst
nicht an. Und sollte doch jemand einen Job erhalten, so gehen dafür in
einem anderen Europäischen Staat 2 Jobs verloren. Neue Arbeit entsteht
kaum.
Wir alle kennen Menschen, die von Hartz IV
betroffen sind oder sich aus Angst oder Scham nicht Arbeitslos melden.
Wir alle kennen Menschen, die an ihrem Arbeitsplatz unwürdige
Beschäftigungsverhältnisse akzeptieren, um nicht in Hartz IV zu
rutschen. Viele Studierenden warten Monate auf die Bearbeitung ihrer
Bafög Anträge oder unterbrechen aus Geldmangel ihr Studium. Junge
Menschen wissen genau, dass sie keine Rente erhalten werden obwohl sie
von ihrem Praktikumsgehalt in die Rentenkasse einzahlen. Ich selbst
benötige Stunden, um aus der Post aller möglichen Ämter schlau zu werden
seit ich für ca. 250€/Monat einen Job an der Uni übernommen habe und
ständig ein paar € an irgendwelche Sozialtöpfe fließen. Und Sie halten
es nicht einmal für nötig ihre Aussage der Sozialstaat habe sich bewährt
mit Fakten zu belegen.
Natürlich muss das hohe Niveau eines Sozialstaats erwirtschaftet werden. Das Grundeinkommen ist finanziert!
Das Grundeinkommen derer, die heute von einer Sozialleistung leben,
finanziert sich durch den Wegfall dieser Sozialleistungen. Das
Grundeinkommen derer, die einer Erwerbsarbeit nachgehen finanziert sich
indem das Grundeinkommen in das Gehalt hinein wächst. z.B.:
Heute 2000€ Erwerbslohn
mit BGE: 1000€ Grundeinkommen + 1000€Erwerbslohn.
Hinzu kommen Einsparungen bei Bürokratie und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.
Abhängig
von der wirtschaftlichen Situation ist alles was der Staat an Geld
ausgibt. Das trifft nicht nur auf das Grundeinkommen zu, sondern auch
auf alle derzeitigen Sozialleistungen zu.
Ihre Behauptung der Anreiz würde sinken, bleibt in ihrer Begründung ebenfalls unbelegt. Anreiz bleibt mit Grundeinkommen erhalten.
Es
gibt einen Unterschied zwischen Druck und Anreiz. Anreiz ist z.B. der
Lohn, die Anerkennung oder der Sinn einer Arbeit. Was mit Grundeinkommen
wegfällt sind Druck und Existenzangst.
Unter
Angst und Druck kann man arbeiten wie eine Maschine. Man kann
körperlich schwere Arbeit verrichten und körperliche Höchstleistung
erbringen. Die Bereiche des Gehirns, die für soziales, Gefühle oder
kognitive Fähigkeiten zuständig sind, werden unter Druck und Angst
gehemmt.
Dies
deckt sich mit Erkenntnissen der Psychologie. Sobald Grundbedürfnisse
gedeckt sind, streben wir nach höheren Bedürfnissen bis hin zur
Selbstverwirklichung.
Faul werden Menschen nur dann, wenn sie gezwungen werden Arbeit zu verrichten, die sie nicht für sinnvoll halten.
Arbeiten
wie eine Maschine ist nicht mehr sinnvoll. Wir haben Maschinen, die uns
körperlich schwere oder unangenehme Arbeit zunehmend abnehmen. Wir
brauchen Menschen in der Pflege, Erziehung, und der Wissenschaft sowie
in der Erfindung und Weiterentwicklung neuer Maschinen. Tätigkeitsfelder
in denen Druck und Angst hinderlich sind.
Wäre es wirklich so,
dass man aufhört zu Arbeiten sobald für das Überleben gesorgt ist,
hätten Sie im Bundestag noch mehr Rücktritte.
Dass die
Leistungsfähigkeit eng an den Grad der Beschäftigung geknüpft ist, war
in der Vergangenheit der Fall und liegt vor allem an der Besteuerung von
Arbeit. Angesichts der zunehmenden Automatisierung verändert sich das.
Maschinen zahlen nicht in Sozialkassen ein. Das muss dringend verändert
werden. Aber darüber wollen Sie ja nicht diskutieren.
Ihre
Begründung sehe ich als Absage an jede konstruktive Diskussion. Für neue
Lösungen sind Sie nicht offen. Sie möchten weiterhin die gewohnte im
Kreis drehende Diskussion führen welche man von Bundestagsdebatten und
Talkshows kennt.
Damit ist Ihre Begründung inakzeptabel, um nicht zu sagen eine Frechheit.
Ich fordere Sie dazu auf eine Enquette-Komission einzurichten und sich eingehender mit der Idee des Grundeinkommenszu beschäftigen.
Ausdrückliche Grüße
Matthias Lindemer
26, politisch aktiver Student
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