Wednesday, 29 May 2013

Rangliste der Pressefreiheit




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Deutschland steht auf der weltweiten ROG-Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 17 von 179, also innerhalb Europas etwa im Mittelfeld. Ins Auge sticht vor allem die abnehmende Vielfalt der Presse: Aus Geldmangel arbeiten immer weniger Zeitungen mit eigener Vollredaktion, mehrere Redaktionen wurden 2012 komplett geschlossen. In vielen Regionen gibt es keine konkurrierenden Printmedien mehr. Gleichzeitig steigt die Zahl der von Unternehmen bezahlten Beiträge, die sich immer stärker – und für den Leser kaum erkennbar – mit journalistischen Inhalten mischen. Zudem gelangen Journalisten oft nur schwer an Informationen von Behörden. Anfragen werden häufig nur langsam und gegen hohe Gebühren beantwortet, fünf Bundesländer haben nach wie vor keine eigenen Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet. Hinzu kommen Diskussionen um ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung auf Bundesebene, das den Schutz journalistischer Quellen bedroht und potenzielle Informanten abschreckt. Positiv hervorzuheben ist ein Bundesgesetz vom August 2012, das Journalisten bei investigativen Recherchen stärker vor Durchsuchungen schützt. Mit Sorge beobachtete Reporter ohne Grenzen hingegen, dass Neonazis oder islamistische Gruppen mehrfach kritische Berichterstatter bedrohten.


1 - Zeitungen in der Krise: Weniger Vielfalt, mehr versteckte Werbung
2 - Der schwere Weg zur Transparenz: Zugang zu Behördeninformationen
3 - Informantenschutz und Vorratsdatenspeicherung
4 - Sachsensumpf: Prozess gegen investigative Reporter
5 - Neonazis und Islamisten drohen Reportern


1 - Zeitungen in der Krise: Weniger Vielfalt, mehr versteckte Werbung

Der Trend zeichnet sich seit Jahren ab: Immer weniger Zeitungen arbeiten mit eigener Vollredaktion, stattdessen liefern Reporterpools und zentrale Newsdesks gleiche Inhalte an verschiedene Zeitungen. Konkurrierende Printmedien sind in den meisten Regionen inzwischen rar, während die Menge der von Unternehmen bezahlten Beiträge und Veröffentlichungen steigt. Neu war 2012 jedoch, dass mehrere Zeitungstitel komplett eingestellt wurden. Die Financial Times Deutschland, die am 7. Dezember nach zwölf Jahren zum letzten Mal erschien, war die prominenteste unter ihnen. Bereits Ende Februar wurde die kleine, aber traditionsreiche Deister-Leine-Zeitung im niedersächsischen Barsinghausen nach mehr als 125 Jahren geschlossen. Am 29. September erschien in Nürnberg die letzte Ausgabe der Abendzeitung, einer der ältesten Boulevardzeitungen Deutschlands. Im Oktober meldete die Nachrichtenagentur dapd Insolvenz an, im November der Verlag der Frankfurter Rundschau. Ob und wie beide Redaktionen dauerhaft weiterarbeiten, ist noch weitgehend unklar. Andere Verlage schlossen wegen sinkender Anzeigenerlöse und Verkaufszahlen Lokalredaktionen (Münstersche Zeitung) oder lagerten sie in tariflose Tochterfirmen aus (Nordwest-Zeitung, Darmstädter Echo). Die WAZ Mediengruppe kündigte im Januar 2013 an, die Redaktionen der Westfälischen Rundschau zu schließen. Außerdem wird die Berichterstattung im Überregionalen immer stärker gebündelt.

Die WAZ-Mediengruppe und die Mediengruppe Dumont Schauberg machen dies seit 2009/2010 mit Redaktionsgemeinschaften vor, die bis zu fünf eigenständige Zeitungen mit nahezu identischem Mantelteil beliefern. Im Oktober 2012 kündigte der Axel-Springer-Verlag an, die gemeinsame Redaktion von Welt-Gruppe und Berliner Morgenpost mit der des Hamburger Abendblatts zusammenzulegen. Das Gleiche ist ab Mitte 2013 für die Mantelredaktionen von Wiesbadener Tagblatt, Wiesbadener Kurier und Allgemeiner Zeitung (Mainz) geplant. Gleichzeitig investieren Unternehmen und PR-Agenturen steigende Summen, um ihre Inhalte in den Medien unterzubringen. Oft werden kommerzielle Inhalte dabei bewusst nicht als Werbung gekennzeichnet, sondern als journalistische Beiträge get arnt oder mit diesen vermischt, um ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen. In Anbetracht der oben skizzierten Situation ist diese Strategie ausgesprochen erfolgreich, denn Redakteure haben immer weniger Zeit, zu recherchieren und Informationen zu prüfen. Sie sind auf vorproduzierte Inhalte angewiesen, die möglichst wenig kosten. PR-Material und versteckte Werbebotschaften kommen als angebliche Tests oder Lieblingsprodukte der Redaktion daher, in Form bezahlter Artikel oder gar ganzer Magazine, die Unternehmen herausgeben, die der Leser aber für journalistische Produkte hält.


2 - Der schwere Weg zur Transparenz: Zugang zu Behördeninformationen

Während das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) Bürgern auf Bundesebene seit 2006 das Recht auf Zugang zu Behördeninformationen zuspricht, haben fünf Bundesländer nach wie vor kein eigenes IFG verabschiedet (Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Baden-Württemberg und Bayern, wo aber in rund 50 Kommunen zumindest eigene Informationsfreiheitssatzungen existieren). In Baden-Württemberg versprach die grün-rote Landesregierung bereits in ihrem Koalitionsvertrag vom April 2011, zügig ein IFG zu verabschieden – bis heute liegt jedoch nicht einmal ein Gesetzentwurf vor. In Thüringen einigten sich SPD und CDU Ende 2012 auf ein neues IFG, nachdem das alte ausgelaufen war. Dem gingen heftige Debatten voraus, denn ein erster Entwurf hatte vorgesehen, die kommerzielle Nutzung von Behördeninformationen zu verbieten, was das Gesetz für Journalisten ad absurdum geführt hätte. Während diese Passage in der Neufassung gestrichen ist, enthält das Gesetz immer noch zahlreiche Ausnahmen, die die Veröffentlichung amtlicher Informationen verhindern. Gute Nachrichten kamen aus Hamburg, wo im Oktober 2012 ein ausgesprochen fortschrittlich es Transparenzgesetz in Kraft trat. Die Hamburger Verwaltung muss demnach von sich aus Gutachten, Verträge und Senatsbeschlüsse online veröffentlichen, nicht erst auf Anfrage. Innerhalb von zwei Jahren soll zudem ein Informationsregister im Internet entstehen, in dem die Gehälter leitender Beamter oder die Daten von Unternehmen mit städtischer Beteiligung veröffentlicht werden.


In der Praxis werden die Informationsfreiheitsgesetze von einzelnen Behörden jedoch sehr unterschiedlich umgesetzt. Viele Journalisten klagen darüber, dass ihre Anfragen nur sehr langsam beantwortet werden, was aktuelle Berichterstattung erschwert oder gänzlich verhindert. Dazu kommen zum Teil bewusst hohe Gebühren der Ämter. Exemplarisch dafür steht die Anfrage zweier Journalisten, die das Bundesinnenministerium im Mai 2011 nach den Medaillenvorgaben der Sportverbände für Olympia befragten und dafür inzwischen mehr als 7000 Euro Gebühr bezahlten. Obwohl das IFG eine Bearbeitungsfrist von vier Wochen vorsieht, war der Antrag auch 14 Monate später noch nicht vollständig bearbeitet. Die Journalisten verklagten das Innenministerium deshalb im Juli 2012 vor dem Verwaltungsgericht Berlin auf die Herausgabe der Medaillenziele – und bekamen Recht (http://bit.ly/MkklYP, http://bit.ly/Qxihjt).


4 - Sachsensumpf: Prozess gegen investigative Reporter

Am 1. August 2012 trat nach anderthalbjährigen Beratungen im Bundestag ein Pressefreiheitsgesetz in Kraft, das Journalisten bei investigativen Recherchen stärker vor staatlichen Übergriffen schützt. Sie können nun nicht mehr wegen Beihilfe zum Geheimnisverratbelangt werden, wenn sie Material von Informanten aus staatlichen Stellen annehmen, auswerten oder veröffentlichen. Zudem dürfen Redaktionen nicht mehr durchsucht und Materialien beschlagnahmt werden – außer bei dringen dem Verdacht auf Beteiligung an einer Straftat. Hintergrund waren die Hausdurchsuchung beim Magazin Cicero 2005 und die Klage gegen einen freien Journalisten, der aus vertraulichen Akten des Bundeskriminalamts zitiert hatte. Das neue Pressefreiheitsgesetz schützt jedoch nur Redaktionsräume vor Durchsuchungen, nicht Büros freier Journalisten. Die Anstiftung zum Geheimnisverrat steht weiterhin unter Strafe, was Journalisten vor Probleme stellen kann, die aufgrund vager Hinweise recherchieren und Fragen stellen. Gefahr für die Sicherheit journalistischer Quellen geht zudem von der so genannten Vorratsdatenspeicherung aus, also der Archivierung von Verbindungsdaten von Computern und Mobiltelefonen zu Fahndungszwecken. Die pauschale, verdachtsunabhängige Speicherung solcher Daten hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass Informanten nicht mehr mit Journalisten in Kontakt treten wollten, da sie Angst hatten enttarnt zu werden. Hintergrund ist eine EU-Richtlinie von 2006, die Mitgliedsländer zur Speicherung solcher Daten verpflichtet. Daraufhin wurde in Deutschland ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, welches das Bundesverfassungsgericht jedoch 2010 für nichtig erklärte. Im Mai 2012 verklagte die EU-Kommission die Bundesrepublik vor dem Europäischen Gerichtshof. In der Debatte um ein neues Gesetz fordert Reporter ohne Grenzen, Verbindungsdaten nicht pauschal zu speichern, sondern erst bei konkretem Tatverdacht.

Der so genannte Sachsensumpf-Prozess gegen die Leipziger Journalisten Thomas Datt und Arndt Ginzel wurde im November 2012 in zweiter Instanz vor de m Dresdener Landgericht verhandelt. Die sächsischen Richter sprachen die beiden Journalisten am 11. Dezember vom Vorwurf der üblen Nachrede frei und setzten damit ein wichtiges Signal, dass das Strafrecht nicht gegen Journalisten eingesetzt werden darf. Sechs Tage später legte die Dresdner Staatsanwaltschaft jedoch Revision gegen das Urteil ein, sodass sich der Prozess nun weiter in die Länge zieht. Datt und Ginzel hatten 2008 über angebliche Kontakte hochrangiger sächsischer Justizbeamter ins Leipziger Rotlichtmilieu berichtet. Der Leipziger Polizeipräsident erstattete daraufhin Anzeige, im August 2010 wurden die beiden Journalisten zu je 2500 Euro Geldstrafe verurteilt. (http://bit.ly/W2ehZP)


5 - Neonazis und Islamisten drohen Reportern

Immer wieder werden Journalisten nach kritischen Berichten von radikalen Gruppen bedroht. In Spremberg wurden Anfang Mai 2012 die Redaktionsräume der Lausitzer Rundschau angegriffen, nachdem diese über ein Treffen von Neonazis berichtet hatte. Unbekannte besprühten die Glasfassade der Redaktion mit der Parole, Lügenpresse halt die Fresse!“ und beklebten sie mit großformatigen Fotos des Treffens, auf denen Vermummte mit Fackeln posieren. In der darauffolgenden Nacht beschmierten sie die Fassade der Zeitung mit Blut und den Innereien eines geschlachteten Tieres. Im Internet kursierten zudem mehrere Drohvideos radikaler Islamisten. Nachdem Fernsehsender im Mai 2012 Demonstranten der rechtsextremben Vereinigung Pro NRW mit Mohammed-Karikaturen gezeigt hatten, forderte ein in Pakistan lebender deutscher Islamist mit Blick auf die Reporter: „Lauert ihnen auf, tötet sie und verpasst i hnen eine Lehre, die sie nie vergessen!“ Gegen einen namentlich genannten Journalisten der Frankfurter Rundschau richtete sich ebenfalls im Mai das Video eines deutsch-tunesischen Salafisten. Er wolle, „auf eine Person aufmerksam machen, die seit langer Zeit gezielt gegen die Muslime und Prediger hetzt“, heißt es darin und weiter: „Wir besitzen eine Menge Daten von Dir. Zum Beispiel wissen wir, wo du wohnst, wir kennen Deinen Verein, wir besitzen deine Mobilfunknummer.“

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Monday, 13 May 2013

“Arbeit” ist per definitionem Sklavenwerk

Nick Mott




Kein Tier “arbeitet” – auch nicht die viel zitierten Ameisen und Bienen.

Der Mensch ist überhaupt das einzige Wesen, das diesen Begriff verwendet und ihm eine überhöhte und noch dazu verfälschte Bedeutung zumisst.

Ich existiere ganz bestimmt nicht, um zu “arbeiten” – das ist der typische Ausbeutermythos.

Die Existenz – also das wörtlich genommene “Heraus-, Hervortreten aus dem Unbedingten” – geschieht.
“Arbeitet” da irgendwas im Hintergrund, wie im Theater hinter den Kulissen? – Bestimmt nicht.
Da “wirkt” höchstens etwas.
“Wirken” ist aber eher passiv auslösend, absichtslos bestimmend oder emergent sich ereignend.

Arbeit als Notwendigkeit verstanden, wie im Titel dieses Artikels Ethos Arbeit als Zwiespalt von Notwendigkeit und Anspruch ja bereits angedeutet, mag hinhauen, da es darum geht, “Not abzuwenden”.
Der Mensch ist aber das einzige Wesen auf diesem Planeten, das Not leidet (vor allem durch sich selbst) trotz höchster beispielloser Geschäftigkeit – spätestens hier wird am Ergebnis gemessen klar, wie unsinnig und ineffizient das durch Menschen propagierte “Arbeitsprinzip” ist.

Anspruch(sdenken) als Ursache des Arbeitsmythos´.

Nur, wenn ich mehr will als ich brauche, dann artet das in Arbeit aus.
Oder, wenn ANDERE mehr zu brauchen vermeinen und es sich einfach nehmen, so dass mir etwas fehlt und ich infolge davon einen deutlichen Mehraufwand betreiben muss, um ein vorher simples Bedürfnis zu befriedigen.

Die Beobachtungstatsache, dass in Tunesien z.B. (selbst erlebt) links der Robinson-Club (was für eine geschmacklose Namensgebung!) im höchsten Luxus schwelgt und die örtlichen Brunnen vereinnahmt, damit die Gäste stundenlang duschen und neben dem Meer ein Süßwasserbecken zum Schwimmen haben – und rechts davon einheimische(!) Kinder, die 20km hin und wieder 20 km zurück den ganzen Tag nur am Laufen sind, damit die Familie das lebensnotwendige Wasser zur Verfügung hat, spricht Bände!

Oder der Victoriasee, wo VOR den Kapitalisten die Seeanwohner sich bequem und völlig ausreichend selbst versorgen konnten und NACH der Ankunft des kapitalistischen Barsches der See nicht nur ökologisch im Arsch war, sondern die vormals für sich selbst agierende Bevölkerung nun in der Industrieabhängigkeit der westlichen Kapitalisten vor sich hin verrottet unter wahrhaft höllischen Lebensbedingungen
(guckstuauchhia: Darwin’s Nightmare  – der Film ist eine Offenbarung und gleichzeitig eine maximale Entlarvung der verfluchten Arbeitsdiktatur!)

Wer da noch was schön reden will oder “logisch begründend argumentieren”, den fordere ich hiermit ganz offen heraus, sich zu stellen.
Ich bin maximal auf Krawall gebürstet und hungere nach einfältig-selbstgefälligen Schwadroneuren fürs Punching.
Wer einer derart asozialen Hypothese (“Arbeit”) das Wort redet, outet sich nach meinem Verständnis wahlweise als dem intellektuellen Prekariat zugehörig oder als sozialer Autist.

Kurz:
“Arbeit” ist Ausdruck einer sozial völlig verkommenen Gesellschaft, die diesen Namen eben gerade dadurch nicht mehr verdient!
PS:
Wer etwas gerne tut oder sich dazu berufen fühlt oder es für seine Entwicklung oder die von anderen wichtig hält, der “arbeitet” nicht, der “wirkt”!
“Arbeit” impliziert nämlich ein “Sich-verkaufen-Müssen” gegen Geld.
“Geld” impliziert die Schöpfungsabhängigkeit des Sich-verkaufen-Müssenden von denjenigen, die es entweder haben oder eben erzeugen.
“Abhängigkeit” ist das Gegenteil von “Freiheit” und zudem ein medizinischer Krankheitsstatus.
Wer also der “Arbeit” das Wort redet, befürwortet eine kranke Gesellschaft!
Die Statistik spricht hier Klartext: Macht Arbeit krank?
Bei den alten Römern und Griechen gehörten die ‘Arbeiter’, also diejenigen, die einer Tätigkeit nachgingen, zu den untersten sozialen Schichten. ‘Arbeitslosigkeit’ war ein prestigeträchtiger Zustand …  (Quelle)

Quelle

Sunday, 5 May 2013

Zur psychosozialen Lage in Deutschland



Wir sind Fachleute, die Verantwortung für die Behandlung seelischer Erkrankungen und den Umgang mit psychosozialem Leid in unserer Gesellschaft tragen. Wir möchten unsere tiefe Erschütterung über die psychosoziale Lage unserer Gesellschaft zum Ausdruck bringen. In unseren Tätigkeitsfeldern erfahren wir die persönlichen Schicksale der Menschen, die hin­ter den Statistiken stehen.
Seelische Erkrankungen und psychosoziale Probleme sind häufig und nehmen in allen In­dustrienationen ständig zu.

Circa 30 % der Bevölkerung leiden innerhalb eines Jahres an einer diagnostizierbaren psychischen Störung. Am häufigsten sind Depressionen, Angststörungen, psychosomatische Erkrankungen und Suchterkrankungen. Der Anteil psychischer Erkrankungen an der Arbeitsunfähigkeit nimmt seit 1980 kontinuierlich zu und beträgt inzwischen 15 – 20 %. Der Anteil psychischer Erkrankungen an vorzeitigen Berentungen nimmt kontinuierlich zu. Sie sind inzwischen die häufigste Ursache für eine vorzeitige Berentung.

Psychische Erkrankungen und Verhaltensprobleme bei Kindern und Jugendlichen nehmen kontinuierlich zu. Psychische Störungen bei älteren Menschen sind häufig und nehmen ständig zu.
Nur die Hälfte der psychischen Erkrankungen wird richtig erkannt, der Spontanverlauf ohne Behandlung ist jedoch ungünstig: Knapp 1/3 verschlechtert sich und knapp die Hälfte zeigt keine Veränderung, chronifiziert also ohne Behandlung.

In allen Altersgruppen, bei beiden Geschlechtern, in allen Schichten und in allen Nationen zunehmenden Wohlstands nehmen seelische Erkrankungen zu und besitzen ein besorgniser­regendes Ausmaß. Die gesellschaftlichen Kosten der Gesundheitsschäden durch Produktivitätsausfälle, medizi­nische und therapeutische Behandlungen, Krankengeld und Rentenzahlungen sind enorm. Eine angemessene medizinische und therapeutische Versorgung ist weltweit nicht möglich. Trotz der kontinuierlichen Zunahme an psychosozialen medizinischen Versorgungsangebo­ten ist die Versorgung auch in Deutschland angesichts der Dynamik und des Ausmaßes der seelischen Erkrankungen nur in Ansätzen möglich.

Die Ursache dieser Problemlage besteht nach unseren Beobachtungen in zwei gesellschaftli­chen Entwicklungen:
  1. Die psychosoziale Belastung des Einzelnen durch individuellen und gesellschaftlichen Stress, wie z. B. Leistungsanforderungen, Informationsüberflutung, seelische Verletzun­gen, berufliche und persönliche Überforderungen, Konsumverführungen, usw. nimmt ste­tig zu.
  2. Durch familiäre Zerfallsprozesse, berufliche Mobilität, virtuelle Beziehungen, häufige Tren­nungen und Scheidungen kommt es zu einer Reduzierung tragfähiger sozialer Beziehun­gen und dies sowohl qualitativer als auch quantitativer Art.
Die Kompetenzen zur eigenen Lebensgestaltung, zur Bewältigung psychosozialer Problem­lagen und zur Herstellung erfüllender und tragfähiger Beziehungen sind den Anforderungen und Herausforderungen dieser gesellschaftlichen Entwicklungen bei vielen Menschen nicht gewachsen.
Angesichts der vorherrschenden gesellschaftlichen Orientierung an materiellen und äußeren Werten werden die Bedeutung des Subjektiven, der inneren Werte und der Sinnverbunden­heit dramatisch unterschätzt.

Wir benötigen einen gesellschaftlichen Dialog über die Bedeutung des Subjektiven, des See­lischen, des Geistig-spirituellen, des sozialen Miteinanders und unseres Umgangs mit Problemen und Störungen in diesem Feld. Wir benötigen einen neuen Ansatz zur Prävention, der sich auf die grundlegenden Kompe­tenzen zur Lebensführung, zur Bewältigung von Veränderungen und Krisen und zur Ent­wicklung von tragfähigen und erfüllenden Beziehungen konzentriert. Wir benötigen eine Gesundheitsbildung, Erlernen von Selbstführung und die Erfahrung von Gemeinschaft schon im Kindergarten und in der Schule, z. B. in Form eines Schulfaches "Gesundheit".
Wir benötigen eine ganzheitliche, im echten Sinne psychosomatische Medizin, die die ge­genwärtige Technologisierung und Ökonomisierung der Medizin durch eine Subjektorientie­rung und eine Beziehungsdimension ergänzt.

Wir benötigen eine Wirtschaftswelt, in der die Profit- und Leistungsorientierung ergänzt wird durch eine Sinn- und Lebensorientierung für die Tätigen. Wir benötigen einen integrierenden, sinnstiftenden und soziale Bezüge erhaltenden Umgang mit dem Alter. Wir benötigen eine das Subjektive und Persönliche respektierende, Grenzen achtende und Menschen wertschätzende Medienwelt. Wir benötigen ein politisches Handeln, das bei seinen Entscheidungen die Auswirkungen auf das subjektive Erleben und die psychosozialen Bewältigungsmöglichkeiten der Betroffenen reflektiert und berücksichtigt. Wir benötigen mehr Herz für die Menschen.

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