Je reicher, desto selbstsüchtiger
Reichtum ist nicht nur eine Frage des
Bankkontos. Auch in ihren Gefühlen und ihrem Verhalten unterscheiden
sich Reiche von ihren Mitmenschen. Sie sind laut einer aktuellen Studie
egoistischer, können sich weniger in andere hineinversetzen und neigen
überhaupt weniger zu sozialem Verhalten.
Die soziale Klasse prägt eine eigene soziale Kultur, schreibt ein Psychologenteam um Dacher Keltner von der University of California in Berkeley.
Während sich die Welt
vor einer neuen Rezession fürchtet, in den USA und Europa Sparpakete für
den öffentlichen Haushalt geschnürt werden wie nie zuvor und sich in
zahlreichen Staaten zum Teil blutige Protestbewegungen gebildet haben,
geht es einigen Wirtschaftsbranchen nach wie vor blendend. Eine davon
betrifft die Luxuswaren.
Der US-Juwelier Tiffany hat seinen Umsatz
im ersten Jahresquartal um 20 Prozent erhöht, der Luxusmodekonzern
LVMH, zu dem Marken wie Louis Vuitton und Givenchy gehören, berichtet
von einem Plus von 13 Prozent im ersten Halbjahr (Umsatz: 10,3
Milliarden Euro), und auch Automarken wie BMW und Porsche melden
deutliche Steigerungen im Jahr 2011. "Wenn ein Designerschuh statt
800 US-Dollar plötzlich 860 kostet - wenn kümmert das?", wird ein
ehemaliger Vorsitzender eines New Yorker Luxuskaufhauses in einem Artikel der "New York Times" zitiert.
Die
Reichen haben mit der aktuellen Wirtschaftssituation kaum ein Problem,
selbst wenn sie bei den vergangenen Kurseinbrüchen an den Börsen viel
Geld verloren haben sollten. Man sollte zur Lösung der Krise deshalb
nicht auf sie bauen - ungefähr so lässt sich das Ergebnis des Artikels
zusammenfassn, den die US-Psychologen soeben veröffentlicht haben. Darin
haben sie zahlreiche Studien kompiliert, die das unterschiedliche
Verhalten von reichen und armen Menschen untersucht haben. "Sie alle
kommen zu dem Schluss, dass man sich nicht darauf verlassen sollte, dass
die Reichen den Armen etwas zurückgeben werden. Dass das Mitgefühl der
Begüterten steigt, ist aus psychologischen Gründen unwahrscheinlich",
sagt Dacher Keltner von der University of California in Berkeley.
In mehreren Experimenten zeigte sich, dass ärmere Menschen mehr an
ihren Mitmenschen interessiert sind, zu altruistischerem und
hilfsbereiterem Verhalten neigen als reichere. Der einfache
psychologische Mechanismus laut den Forschern: Sie sind mehr von anderen
abhängig und bemühen sich deshalb auch mehr um sie. "Wer wenig
Ressourcen und Bildung hat, muss sich anderen Menschen zuwenden", sagt
Keltner. Und das führt etwa dazu, dass sie besser in der Lage sind, die
Gefühle ihrer Mitmenschen zu erraten, die diese etwa mit ihrem Gesicht
ausdrücken.
Leute
der Upper-Class sind anders, resümiert Keltner. "Reichtum, Erziehung
und Prestige geben ihnen die Freiheit, sich auf sich selbst zu
konzentrieren." Reichere Menschen sind zwar glücklicher, aber nicht
so viel, wie man das glauben möchte - denn die Empathie, die Fähigkeit
sich in andere hineinzuversetzen, nimmt beim sozialen Aufstieg nämlich
ab. "Ich denke, einer der Gründe liegt darin, dass die menschliche
Psyche nicht mehr das Bedürfnis hat, sich mit anderen zu verbinden. Und
das ist, wie wir wissen, eine der wichtigsten Quellen für Glück", sagt
Keltner.
Lukas Wieselberg, science.ORF.at
12.08.2011
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