Friday, 7 October 2011

Je reicher, desto selbstsüchtiger



Reichtum ist nicht nur eine Frage des Bankkontos. Auch in ihren Gefühlen und ihrem Verhalten unterscheiden sich Reiche von ihren Mitmenschen. Sie sind laut einer aktuellen Studie egoistischer, können sich weniger in andere hineinversetzen und neigen überhaupt weniger zu sozialem Verhalten. 



Die soziale Klasse prägt eine eigene soziale Kultur, schreibt ein Psychologenteam um Dacher Keltner von der University of California in Berkeley.
Während sich die Welt vor einer neuen Rezession fürchtet, in den USA und Europa Sparpakete für den öffentlichen Haushalt geschnürt werden wie nie zuvor und sich in zahlreichen Staaten zum Teil blutige Protestbewegungen gebildet haben, geht es einigen Wirtschaftsbranchen nach wie vor blendend. Eine davon betrifft die Luxuswaren.


Der US-Juwelier Tiffany hat seinen Umsatz im ersten Jahresquartal um 20 Prozent erhöht, der Luxusmodekonzern LVMH, zu dem Marken wie Louis Vuitton und Givenchy gehören, berichtet von einem Plus von 13 Prozent im ersten Halbjahr (Umsatz: 10,3 Milliarden Euro), und auch Automarken wie BMW und Porsche melden deutliche Steigerungen im Jahr 2011. "Wenn ein Designerschuh statt 800 US-Dollar plötzlich 860 kostet - wenn kümmert das?", wird ein ehemaliger Vorsitzender eines New Yorker Luxuskaufhauses in einem Artikel der "New York Times" zitiert.

Die Reichen haben mit der aktuellen Wirtschaftssituation kaum ein Problem, selbst wenn sie bei den vergangenen Kurseinbrüchen an den Börsen viel Geld verloren haben sollten. Man sollte zur Lösung der Krise deshalb nicht auf sie bauen - ungefähr so lässt sich das Ergebnis des Artikels zusammenfassn, den die US-Psychologen soeben veröffentlicht haben. Darin haben sie zahlreiche Studien kompiliert, die das unterschiedliche Verhalten von reichen und armen Menschen untersucht haben. "Sie alle kommen zu dem Schluss, dass man sich nicht darauf verlassen sollte, dass die Reichen den Armen etwas zurückgeben werden. Dass das Mitgefühl der Begüterten steigt, ist aus psychologischen Gründen unwahrscheinlich", sagt Dacher Keltner von der University of California in Berkeley.

In mehreren Experimenten zeigte sich, dass ärmere Menschen mehr an ihren Mitmenschen interessiert sind, zu altruistischerem und hilfsbereiterem Verhalten neigen als reichere. Der einfache psychologische Mechanismus laut den Forschern: Sie sind mehr von anderen abhängig und bemühen sich deshalb auch mehr um sie. "Wer wenig Ressourcen und Bildung hat, muss sich anderen Menschen zuwenden", sagt Keltner. Und das führt etwa dazu, dass sie besser in der Lage sind, die Gefühle ihrer Mitmenschen zu erraten, die diese etwa mit ihrem Gesicht ausdrücken.

Leute der Upper-Class sind anders, resümiert Keltner. "Reichtum, Erziehung und Prestige geben ihnen die Freiheit, sich auf sich selbst zu konzentrieren." Reichere Menschen sind zwar glücklicher, aber nicht so viel, wie man das glauben möchte - denn die Empathie, die Fähigkeit sich in andere hineinzuversetzen, nimmt beim sozialen Aufstieg nämlich ab. "Ich denke, einer der Gründe liegt darin, dass die menschliche Psyche nicht mehr das Bedürfnis hat, sich mit anderen zu verbinden. Und das ist, wie wir wissen, eine der wichtigsten Quellen für Glück", sagt Keltner.



Lukas Wieselberg, science.ORF.at  
12.08.2011
 

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